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Zukunftschance assistierte Ausbildung

Mit dem EU-Landesprogramm zum Tischlergesellen

(Von Alexander Lorber, 04.09.2019)

Im Sommer 2016 begann der in Syrien geborene Ahmed Adi in Sachsen-Anhalt eine Lehre zum Tischler. Doch seine sprachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse reichten bei Weitem nicht, um die Anforderungen an eine solche Ausbildung zu erfüllen. Um Jugendlichen wie Ahmed Adi zu helfen, trotz schwieriger Ausgangsbedingungen und hohem Förderbedarf die Chance auf eine Berufsausbildung zu erhalten, gibt es in Sachsen-Anhalt das Landesprogramm „Zukunftschance assistierte Ausbildung (ZaA)“. Die Initiative begleitet Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund von der Suche nach einer Ausbildungsstelle bis zum Berufsabschluss. Die zentrale Kontakt- und Anlaufstelle für die Jugendlichen und für den Ausbildungsbetrieb ist ein Bildungsträger wie die Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW). „Durch die zusätzliche Unterstützung wirken wir vielen unnötigen Ausbildungsabbrüchen entgegen“, erklärt Grit Milewski, Jugendkoordinatorin bei der FAW. Das Unternehmen setzt das Programm zurzeit an den Standorten Halle (Saale), Weißenfels, Naumburg, Merseburg und Zeitz um. Das Landesprogramm wird aus Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt, der Bundesagentur für Arbeit sowie aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert. Damit beteiligt sich die EU an der aktiven Eingliederung von benachteiligten jungen Menschen in den Arbeitsmarkt. Auch Ahmed Adi hat von der Teilnahme profitiert. Heute ist er überglücklich, denn er hat inzwischen seine Prüfung erfolgreich abgelegt und seinen Gesellenbrief für das Tischlerhandwerk erhalten. Sein Ausbildungsbetrieb, die KLEUSBERG GmbH & Co. KG, ist stolz und um eine gut ausgebildete Fachkraft reicher.

 

In zwei Etappen zum Ausbildungsabschluss
In der Vorbereitungsphase (Phase I) leistet der Bildungsträger den Jugendlichen gezielte Hilfestellung bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, räumt Hürden aus dem Weg und vermittelt passende Praktika. „Zunächst loten wir aus, welche zusätzliche Unterstützung in welchen Bereichen nötig ist, um erfolgreich eine Ausbildung zu beginnen“, beschreibt Ausbildungsbegleiterin Stefanie Sonntag das Vorgehen während der ersten Phase. Hier wird auch geprüft, welche Benachteiligungen die Jugendlichen haben. „Oft sind es Verkettungen aus sozialer Benachteiligung und Lernhemmnissen“, erklärt Sonntag. Stehen die Teilnehmenden vor persönlichen Problemen, etwa Sprachdefizite, Schulden oder Schwierigkeiten mit der Wohnsituation, versuchen die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen zunächst, diese Hindernisse gemeinsam mit den Jugendlichen zu beseitigen. „Probleme im sozialen Umfeld könnten sonst einen reibungslosen Einstieg in die berufliche Erstausbildung gefährden“, betont Sonntag. Aber auch sprachliche Defizite können ein Hemmnis sein: „Wir haben viele Geflüchtete, die in Deutschland eine Erstausbildung anfangen und dafür zunächst Hürden in der Sprachkompetenz überwinden müssen“, weiß die Ausbildungsbegleiterin. „Sprachdefizite beseitigen wir durch gezielten Unterricht und eine Aufbereitung der Schul- und Lerninhalte.“

In dieser Phase erhalten die Teilnehmenden außerdem Unterstützung beim Bewerben, etwa bei der Suche nach einem Praktikumsplatz, beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen oder bei der Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch. Denn damit können sie erste berufliche Erfahrungen sammeln und neue Zuversicht für ihre Ausbildung gewinnen. In Lerngruppen bekommen die Jugendlichen außerdem wertvolle Kenntnisse vermittelt, worauf sie kurz vor der Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses achten müssen, welche Rechte und Pflichten sie als Auszubildende haben und wie ein fairer Ausbildungsvertrag aussehen sollte. Die FAW hilft den Jugendlichen auch bei Alltagsfragen: Wie stelle ich einen Antrag auf Bafög? Wie muss ich meine Tagesstruktur der Ausbildung anpassen? Passt mein äußeres Erscheinungsbild zum Betrieb, der mich ausbilden wird? Gerade kurz vor Beginn einer Ausbildung stellen sich die Teilnehmenden solche Fragen.

Europäischer Sozialfonds setzt auf ganzheitliche Unterstützung
Ist der Ausbildungsvertrag unterschrieben, steht der Start in die Ausbildung kurz bevor. An dieser Stelle haben die meisten Förderprogramme ihre Arbeit getan. Das unterscheidet die Initiative „Zukunftschance Assistierte Ausbildung“ von anderen Programmen. Dank der ESF-Fördermittel kann der Bildungsträger FAW sowohl die Jugendlichen als auch die Ausbildungsbetriebe in der ausbildungsbegleitenden Phase (Phase II) weiter unterstützen. „Indem wir während der Ausbildung jederzeit im Kontakt mit Berufsschule, Ausbildungsbetrieb und den Auszubildenden bleiben, können wir bei Problemen rechtzeitig eingreifen“, erklärt Grit Milewski.

Nähert sich die Probezeit dem Ende, hakt Ausbildungsbegleiterin Stefanie Sonntag beim Ausbildungsbetrieb nach, ob man sich für eine Übernahme entscheiden wird oder wo es eventuell noch klemmt. Wenn es im Ausbildungsverlauf zu einem Konflikt zwischen Azubi und Ausbilder kommt, versucht Ausbildungsbegleiterin Stefanie Sonntag zu vermitteln: „Bislang ließen sich viele Missverständnisse durch ein Gespräch vor Ort rasch klären.“ Wichtig sei vor allem, die Gefahr eines unnötigen Ausbildungsabbruchs rechtzeitig abzuwenden. „Wir schulen die Kooperations- und Konfliktfähigkeit der jungen Menschen, damit sie später im Berufsleben besser zurechtkommen“, erklärt Sonntag.

Der ESF stärkt den regionalen Fachkräftenachwuchs
„Durch den engen Kontakt mit den Berufsschulen und zahlreichen Ausbildungsbetrieben in Sachsen-Anhalt ist in den letzten Jahren ein gutes Vertrauensverhältnis entstanden“, lobt Grit Milewski. Die Jugendkoordinatorin hofft, dass das Programm nach Ablauf des aktuellen Förderzeitraums im Jahr 2021 weiterhin vom Europäischen Sozialfonds unterstützt wird: „Die Initiative motiviert zahlreiche junge Menschen, ihre Ausbildung mit Erfolg abzuschließen. Vor allem sozial benachteiligte Jugendliche und Lernbehinderte würden sonst womöglich nie einen richtigen Beruf erlernen.“ Ausbildungsbegleiterin Stefanie Sonntag stimmt zu: „Ich habe bisher noch kein Projekt kennengelernt, das besser funktioniert.“ Sonntag war früher selbst als Ausbilderin tätig. „Damals hätte ich mir ein solches Programm für viele Azubis, die ich durch die Ausbildung begleitet habe, sehnlichst gewünscht. Es schafft ein engmaschiges Netz aus helfenden Händen für viele Auszubildende. Daran sollte man festhalten.“

Hier finden Sie weitere interessante Beispiele, wie die Menschen von EU-Fördermitteln aus ELER, EFRE und ESF in Sachsen-Anhalt nachhaltig profitieren.

Weitere Quellen:
Informationen über das Operationelle Programm für den Europäischen Sozialfonds des Landes Sachsen-Anhalt

Portal „Europa vor Ort in Sachsen-Anhalt“ der Europäischen Kommission  

Übersicht über das Landesprogramm „Zukunftschance assistierte Ausbildung“ (ZaA) auf der Website der Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW)