Die Rose von Jericho(w).
Ein sehenswertes Prämonstratenser-Kloster in der Altmark
- Text und Bilder von Bianca Kahl -
„Die Rose von Jericho“ ist bekannt als eine außergewöhnliche Pflanze. Sie wird verkauft als ein Ballen aus verdorrten, nach innen gekrümmten Zweigchen. Es scheint, als sei alles zu spät, alle Hoffnung verloren. Doch jedes Mal, wenn der Ballen mit Wasser beträufelt wird, entfaltet die grüne Rose ihre Blätter von Neuem.
Die Wüstenpflanze wurde nach der Stadt Jericho benannt, wahlweise heißt sie auch Jerusalemrose – nach dem Ort der Auferstehung Jesu Christi. Sie ist ein beliebtes Geschenk und wird gern auf Weihnachtsmärkten verkauft. So auch in Jerichow in der Altmark: beim Advent im Kreuzgang des Klosters Jerichow.
Das Kloster in der Kleinstadt nahe Genthin bietet nicht nur zu Weihnachten eine stimmungsvolle Atmosphäre. Um 1200 errichtet, ist es das älteste Backsteingebäude Norddeutschlands und beherbergt ein eigenes Museum über Backsteine als Baumaterial. Weil alle Feldsteine der Region seinerzeit im Havelberger Dom verbaut worden sind, holten sich die Jerichower Baumeister Inspiration aus dem Süden und griffen auf Lehm aus den Elbniederungen zurück. Die Ziegel wurden ganz in der Nähe geformt und in Feldbrandöfen gehärtet.
Entstanden ist ein mehr als beeindruckender, spätromanischer Sakralbau von schlichter Schönheit. Die neuartige Backstein-Architektur sollte bald ganz Europa prägen. Aufgrund seiner Bedeutung ist das Kloster Jerichow Teil der Straße der Romanik. Die Stiftskirche, die Räume der Klausur mit den Refektorien, der Kapitelsaal und der malerische Kreuzgang um den Innenhof sind bis heute im Original erhalten.
Hier haben mehrere Hundert Jahre lang Patres des Prämonstratenserordens gelebt und gearbeitet, bis das klösterliche Leben 1631 nach Plünderungen endgültig aufgehoben wurde. Das Klostermuseum dokumentiert die Geschichte der Anlage – von der Gründung des ehemaligen Prämonstratenserstifts über den Bau des Klosters bis hin zur Auflösung.
Der römisch-katholische Prämonstratenser-Orden ist nach seinem Gründungsort Premontre in Frankreich benannt und er existiert bis heute. Im deutschsprachigen Raum gibt es drei Abteien mit insgesamt zwölf aktiven Klöstern. Am ehemaligen Standort in der Altmark gründete sich 2004 die „Stiftung Kloster Jerichow“. Sie ist darum bemüht, den geschichtsträchtigen Ort zu pflegen und zu erhalten und informiert über das mittelalterliche Leben. Allen voran Kindern sollen die Themen Schrift, Kochen und historische Kleidung vermittelt werden.
Die Klosteranlage wurde touristisch erschlossen. 70.000 Gäste zieht sie jährlich an, Tendenz steigend. Die Zahl hat sich fast verdoppelt, nachdem der Vorplatz und der Zugangsbereich ausgebaut wurden. „Zuvor war das alles Matsch und die landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge sind direkt an der Kirche vorbeigefahren, sodass die Wände gewackelt haben“, sagt Jan Wißgott, der Verwaltungsleiter der Stiftung. In den Jahren 2010 und 2011 wurde eine neue Straße gebaut, die die Nutzfahrzeuge umleitet und auch für Gruppen mit Reisebussen eine bequeme Zufahrt samt Wendeschleife bietet. Etwa 50 Parkplätze stehen nun zur Verfügung, doch die sind an manchen Tagen schon fast zu wenig.
Zudem hat sich das Gebäude eines ehemaligen Schäferhofes in ein freundliches Informations- und Empfangszentrum verwandelt – inklusive Toiletten und abschließbare Fahrradparkplätze für die Touristen, die einen Abstecher vom beliebten Elberadweg unternehmen und ihr Gepäck nicht durch die Klosteranlage schleppen können. Auf insgesamt mehr als 2,4 Millionen Euro belaufen sich die Kosten für die Baumaßnahmen. Von den Förderzuschüssen in Höhe von circa 2,1 Millionen Euro kommen allein rund 1,6 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
Neben den Umbauten hat das Kloster sein Marketingkonzept emanzipiert. Es hat nun auch das Ausland im Blick und stellt sich selbst bei Messen und Roadshows in den Vordergrund. Die Mitarbeiterzahl der Stiftung hat sich in den Sommermonaten auf rund 30 Personen verdreifacht und die Gäste kommen nicht nur gern, sondern bleiben auch länger als je zuvor. „Eine Stunde Kloster Jerichow ist ein Prozent Kloster Jerichow“, sagt Wißgott. Im Schnitt dreieinhalb Stunden halten sich die Gäste auf, können sich meist gar nicht mehr losreißen.
Es gibt ja auch viel zu sehen. Allein der Klostergarten nach mittelalterlichem Vorbild mit seinen alten Nutzpflanzen bietet viel Wissenswertes und zahlreiche Entdeckungen. Die Gärtner haben die eigenwilligen Hochbeete mithilfe der früher typischen Materialien wie Backsteine und Weide angelegt. Ein Gemüse- und Würzgarten, Feldfrüchte und auch ein Bereich mit historischen Färbepflanzen sind zu finden. Im angrenzenden Park lässt es sich ausgezeichnet toben oder auch einfach ruhen und verweilen. Liebevoll gepflegte Pflanztöpfe und Beete machen den altehrwürdigen Ort wieder lebendig. Was verlassen und im Dreißigjährigen Krieg fast zerstört wurde, ist wieder aufgeblüht: Ein altes Kloster, das einst die Backsteine in den Norden brachte. Ein Meisterwerk der Romanik. Die Rose von Jerichow.
www.kloster-jerichow.de