Menu
menu

TEAM-Senior in der Praxis

Magdeburger EFRE-Forschungsprojekt hilft Menschen mit Demenz

(Von Alexander Lorber, 19.02.2021) 

Wenn das Studienteam von Neurologe Prof. Dr. Emrah Düzel vor der Wohnungstür steht, freuen sich die Probanden, die derzeit am Projekt „TEAM-Senior in der Praxis“ teilnehmen. Sie dürfen nämlich ein innovatives Trainingssystem testen, das ihre körperliche Fitness und die geistigen Fähigkeiten verbessern soll. Gefördert wird das Projekt mit Mitteln in Höhe von mehr als 900.000 Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) über das Programm „Sachsen-Anhalt WISSENSCHAFT – Autonomie im Alter“. Zielgruppe sind ältere Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen oder einer beginnenden Alzheimer-Demenz. Das Training wird an einem Ergometer bei den Probanden zu Hause durchgeführt. Dabei bekommen sie verschiedene Landschaftsfotos auf einem Tablet gezeigt. Anschließend folgt ein Gedächtnistest, bei dem die Probanden von zwei Fotos genau das Motiv wiedererkennen müssen, das sie beim Training gesehen haben. „Der Test ist relativ einfach und frustriert die Patienten nicht. Fast alle Probanden, auch diejenigen mit leichter Demenz, konnten sich an die richtigen Bilder erinnern“, berichtet Prof. Dr. Emrah Düzel, Direktor des Instituts für Kognitive Neurologie und Demenzforschung an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg. Künftig soll das neue Modell über Hausarztpraxen in ganz Sachsen-Anhalt etabliert werden.

Körper und Geist fit halten

„Bewegungsmangel, soziale Isolation und fehlende geistige Stimulation können sich negativ auf die Gesundheit der älteren Menschen auswirken und das Fortschreiten einer Alzheimer-Erkrankung beschleunigen“, erklärt Düzel. Damit das Kombi-Training aus körperlicher Betätigung und kognitiven Übungen die älteren Menschen langfristig motiviert, finden regelmäßig Hausbesuche statt. Dafür hat das Projektteam zahlreiche ehrenamtliche Seniorinnen und Senioren aufgenommen, die völlig fit und gesund sind und im Vorfeld an einer Schulung über Demenz teilgenommen haben. Einmal in der Woche besuchen die Ehrenamtlichen ihre Probanden. In der ersten Förderphase von 2016 bis 2018 haben insgesamt 17 Seniorinnen und Senioren am Projekt „TEAM-Senior“ teilgenommen. In der aktuellen Förderphase steht vor allem die Kernaufgabe im Vordergrund, das Projekt erfolgreich in die Praxis zu überführen.

Neue Probanden aus der Hausarztpraxis

Jede Woche finden drei Trainingseinheiten bei den Probanden statt. Einmal in der Woche kommt auch das Studienteam um die Gerontologin Nancy Busse vorbei, begleitet das Training und prüft den Gesundheitszustand des Probanden. Sportwissenschaftler Andreas Becke achtet darauf, dass das Ergometer richtig eingestellt ist und das Training korrekt ausgeführt wird. „Wir entlasten mit unseren Hausbesuchen auch die Angehörigen, die selbst häufig kaum Zeit haben, sich darum zu kümmern, dass die Betroffenen sich genug bewegen und dabei mental angeregt werden“, sagt Düzel. Aktuell vermitteln ihm die niedergelassenen Hausärzte in Magdeburg und aus dem Salzlandkreis neue Probanden. Die Ärzte wurden im Vorfeld über das Forschungsprojekt informiert. „Erfährt der Hausarzt im Gespräch mit dem Patienten, dass dieser sich zu wenig bewegt, häufig allein zu Hause ist und vergesslich wird, kann er ihm oder ihr die Teilnahme an unserem Projekt empfehlen. Interessierte können direkt als Probanden an unserem Projekt teilnehmen“, erklärt der Neurologe.

Trainieren für die Wissenschaft

Leider sind wegen der Corona-Pandemie in letzter Zeit viele Seniorinnen und Senioren nicht zum Hausarzt gegangen. Das hat es für das Projektteam schwerer gemacht, neue Probanden zu gewinnen. Dabei bereite das regelmäßige Training im Team den ehrenamtlich Tätigen wie auch den an Demenz erkrankten Seniorinnen und Senioren viel Freude, sagt Emrah Düzel: „Die soziale Unterstützung ist mindestens genauso wichtig wie unser Training. Viele ältere Menschen leiden unter Einsamkeit, ziehen sich immer mehr zurück und sind dadurch kaum noch aktiv. Die Unterstützung durch die Ehrenamtlichen hat bei einigen wieder den Spaß an der Bewegung geweckt“, bestätigt Düzel. Sein Studienteam beobachtet sechs Monate lang die Fortschritte der Probanden und erfasst laufend ihren aktuellen Gesundheitszustand. „Wir haben zudem noch eine Kontrollgruppe, die kein Training macht. So können wir später vergleichen, wie sehr sich am Ende der körperliche und geistige Zustand bei den am Training teilnehmenden Seniorinnen und Senioren stabilisiert oder gar verbessert hat“, erklärt der Projektleiter.

EFRE-Projekt soll noch mehr Menschen helfen

Sobald Prof. Dr. Emrah Düzel und sein Team genug Probanden für das Projekt gewonnen haben, wollen sie sich verstärkt dafür einsetzen, dass ihr Trainingskonzept dauerhaft durch die Hausarztpraxen in der Region zur Verfügung gestellt werden kann. So könnten sie noch mehr Menschen mit Demenz helfen, trotz Erkrankung länger im eigenen Zuhause zu leben. „Wenn sich das System bewährt, wäre sogar ein flächendeckender Einsatz in ganz Sachsen-Anhalt vorstellbar. Dafür würden wir uns als Nächstes mit den Krankenkassen zusammensetzen, um das Training für die Versorgung in größerem Maßstab zu optimieren“, sagt Düzel. „Wir sind optimistisch, dass das funktionieren kann.“ Die bereits in das Projekt involvierten Hausärzte in der Umgebung wissen, dass viele Familien mit der Demenz-Erkrankung eines Angehörigen oft völlig überfordert sind. Insofern bieten sie den betroffenen Patientinnen und Patienten gerne jede Hilfe an, die zur Verfügung steht. Hier ist das EFRE-Projekt „TEAM-Senior in der Praxis“ ein weiteres Puzzlestück, um die Versorgungslage spürbar zu verbessern und die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Sachsen-Anhalt weiter voranzutreiben.

Hier finden Sie weitere interessante Beispiele, wie die Menschen von EU-Fördermitteln aus ELER, EFRE und ESF in Sachsen-Anhalt nachhaltig profitieren.

 

Weitere Quellen: