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Stel­lung der Wo­je­wod­schaf­ten im pol­ni­schen Staats­auf­bau

Auf der Grund­la­ge des "Ge­set­zes über die Ein­füh­rung einer drei­stu­fi­gen ter­ri­to­ria­len Glie­de­rung des Staa­tes" vom 24. Juli 1998 wurde zum 01. Ja­nu­ar 1999 in Polen eine neue ad­mi­nis­tra­ti­ve Ver­wal­tungs­struk­tur ein­ge­führt. Die Ver­wal­tungs­re­form war eine Vor­aus­set­zung für die Um­ge­stal­tung der wirt­schaft­li­chen und ad­mi­nis­tra­ti­ven Struk­tu­ren in Polen. Das pol­ni­sche Staats­ge­biet glie­dert sich nun­mehr in Wo­je­wod­schaf­ten (Województwa), neu ge­bil­de­te Krei­se (Po­wia­ty) und Ge­mein­den (Gminy).

Mit der Neu­glie­de­rung wur­den aus 49 klei­nen 16 we­sent­lich grö­ße­re Wo­je­wod­schaf­ten ge­bil­det. Der ter­ri­to­ria­len Selbst­ver­wal­tung wur­den um­fang­rei­che­re Auf­ga­ben und Kom­pe­ten­zen im Rah­men der Re­gio­nal­po­li­tik über­tra­gen; die zen­tra­len staat­li­chen Ein­rich­tun­gen kon­zen­trie­ren sich jetzt stär­ker auf stra­te­gi­sche Fra­gen.

Die Wo­je­wod­schaf­ten ver­fü­gen in­sti­tu­tio­nell über eine Dop­pel­struk­tur von Staats-​ und Selbst­ver­wal­tung, die ihre Funk­tio­nen un­ab­hän­gig von­ein­an­der aus­üben und ge­trenn­te Zu­stän­dig­kei­ten haben.

Ver­tre­ter des Zen­tral­staa­tes ist der Wo­je­wo­de, der vom Mi­nis­ter­rat er­nannt wird. Ihm ob­liegt die Wah­rung staat­li­cher In­ter­es­sen auf re­gio­na­ler Ebene. Da­ne­ben exis­tie­ren staat­li­che Or­ga­ne der „un­ge­bun­de­nen" Ver­wal­tung, die nicht di­rekt dem Wo­je­wo­den un­ter­ste­hen, wie z. B. der Kom­man­dant der Po­li­zei oder der Kom­man­dant der Feu­er­wehr der Re­gi­on.

Die Wo­je­wod­schaf­ten sind u. a. zu­stän­dig für:  

  • Re­gio­nal­po­li­tik (in enger Ko­ope­ra­ti­on mit dem Zen­tral­staat)
  • Ver­ab­schie­dung der Ent­wick­lungs­stra­te­gie
  • Ver­ab­schie­dung der Be­wirt­schaf­tungs­grund­sät­ze
  • Raum­ord­nungs­pla­nung
  • Ar­beits­markt­po­li­tik (Aus­ga­ben­pla­nung und Mit­tel­be­wirt­schaf­tung ar­beits­po­li­ti­scher Maß­nah­men, Ver­tei­lung von Zu­wen­dun­gen aus dem staat­li­chen Ar­beits­fonds, Or­ga­ni­sa­ti­on der re­gio­na­len und in­ter­re­gio­na­len Ar­beits­ver­mitt­lung, Pla­nung von Um­schu­lungs­maß­nah­men für Ar­beits­lo­se, Fest­le­gung von Kri­te­ri­en für die Er­tei­lung von Ar­beits­er­laub­nis­sen an Aus­län­der; das wo­je­wod­schaft­li­che Ar­beits­amt ist Teil des Mar­schall­am­tes)
  • Um­welt­schutz (unter Be­rück­sich­ti­gung über­ge­ord­ne­ter Ziele und In­ter­es­sen staat­li­cher Po­li­tik)
  • Schutz der Kul­tur­gü­ter (unter Be­rück­sich­ti­gung über­ge­ord­ne­ter Ziele und In­ter­es­sen staat­li­cher Po­li­tik)
  • Ver­kehrs­we­sen mit re­gio­na­lem Bezug (re­gio­na­le Stra­ßen, Or­ga­ni­sa­ti­on und Fi­nan­zie­rung des re­gio­na­len schie­nen­ge­bun­de­nen Per­so­nen­ver­kehrs)
  • So­zi­al­für­sor­ge (Aus­bil­dung von So­zi­al­ar­bei­tern, Durch­füh­rung von Pro­gram­men der So­zi­al­hil­fe, Un­ter­hal­tung eines Zen­trums für Ar­beits­me­di­zin und von psych­ia­tri­schen Ein­rich­tun­gen)
  • Un­ter­hal­tung von Sport-​ und Frei­zeit­stät­ten
  • Ver­pflich­tung zur Ein­rich­tung und Un­ter­hal­tung von min­des­tens einer Wo­je­wod­schafts­bi­blio­thek
  • Un­ter­hal­tung von öf­fent­li­chen Bildungs-​ und Wei­ter­bil­dungs­stät­ten für Leh­rer, von päd­ago­gi­schen Bi­blio­the­ken sowie re­gio­na­len Schu­len und Zen­tren (v.a. Schu­lungs­stät­ten für Me­di­zi­ner, Bin­nen­schif­fer, Ei­sen­bah­ner, Forst­we­sen)

Zen­tra­les Ele­ment der Selbst­ver­wal­tung auf re­gio­na­ler Ebene ist die freie Ver­fü­gung über Wo­je­wod­schafts­ver­mö­gen.

Die Or­ga­ne der Selbst­ver­wal­tung auf Wo­je­wod­schafts­ebe­ne sind die Wo­je­wod­schafts­ver­samm­lung (Sej­mik Województwa) und der Wo­je­wod­schafts­vor­stand (Zarzad Województwa).

Die Ab­ge­ord­ne­ten des Sej­mik wer­den in di­rek­ter Wahl ge­wählt. Die An­zahl der Ab­ge­ord­ne­ten hängt von der Be­völ­ke­rungs­zahl der Wo­je­wod­schaft ab, für die Wo­je­wod­schaft Ma­so­wi­en sind es 51. Es ist mög­lich, gleich­zei­tig Sejmik-​Abgeordneter und Ab­ge­ord­ne­ter im Sejm oder Senat, den bei­den Kam­mern des pol­ni­schen Par­la­ments, zu sein.

Der Sej­mik ist das ent­schei­den­de Kon­troll­organ der Wo­je­wod­schaft. Er ist u. a. zu­stän­dig für den Er­lass re­gio­na­ler Rechts­vor­schrif­ten. Er ver­ab­schie­det den Haus­halt und be­schließt über Ein­zel­hei­ten der Aus­füh­rung.

Der Sej­mik be­stimmt Rich­tung und Me­tho­den der in­ter­na­tio­na­len Zu­sam­men­ar­beit der Wo­je­wod­schaft. Zu die­sem Zweck be­schließt er ein Do­ku­ment über die "Prio­ri­tä­ten der in­ter­na­tio­na­len Zu­sam­men­ar­beit der Wo­je­wod­schaft", das die Haupt­zie­le der in­ter­na­tio­na­len Zu­sam­men­ar­beit for­mu­liert und die geo­gra­phi­schen Prio­ri­tä­ten und Vor­ha­ben be­züg­lich einer Be­tei­li­gung an in­ter­na­tio­na­len re­gio­na­len Or­ga­ni­sa­tio­nen fest­legt. Die Wo­je­wod­schafts­ver­samm­lun­gen dür­fen al­ler­dings keine selbst­stän­di­ge Au­ßen­po­li­tik be­trei­ben.

Zu den aus­schließ­li­chen Kom­pe­ten­zen des Sej­miks ge­hö­ren fol­gen­de An­ge­le­gen­hei­ten:  

  • Or­ga­ni­sa­ti­on (ört­li­che Rechts­ak­te, Prin­zi­pi­en des Wirt­schaf­tens mit dem Wo­je­wod­schafts­ver­mö­gen, An­ge­le­gen­hei­ten der in­ter­na­tio­na­len Zu­sam­men­ar­beit u.ä.);
  • Pla­nung (Be­schluss über die Wo­je­wod­schafts­stra­te­gie, die Raum­ord­nungs­pla­nung, die "Prio­ri­tä­ten der in­ter­na­tio­na­len Zu­sam­men­ar­beit");
  • Lei­tung und Kon­trol­le (ge­gen­über dem Wo­je­wod­schafts­vor­stand: Über­prü­fung der Re­chen­schafts­be­rich­te, der Rea­li­sie­rung des Haus­halts u.ä.);
  • Fi­nan­zen und Ver­mö­gen (Ver­ab­schie­dung des Haus­halts­ge­set­zes, Prin­zi­pi­en der Sub­ven­tio­nie­rung aus Mit­teln des Haus­halts der Wo­je­wod­schaft, Er­lass von Vor­schrif­ten - in den ge­setz­lich zu­läs­si­gen Gren­zen - über lo­ka­le Ge­büh­ren und Steu­ern, Be­schluss­fas­sung über Ver­mö­gens­an­ge­le­gen­hei­ten der Wo­je­wod­schaft);
  • Per­so­nal­fra­gen (Wahl und Ab­wahl des Vor­stands, Be­ru­fung und Ab­be­ru­fung des Schatz­meis­ters der Wo­je­wod­schaft, d.h. des Haupt­buch­hal­ters des Wo­je­wod­schafts­haus­halts, auf An­trag des Mar­schalls; Be­stim­mung eines un­ab­hän­gi­gen Rech­nungs­prü­fers, der den Haus­halt der Wo­je­wod­schaft prüft).

Für die Um­set­zung der Be­schlüs­se und Ent­schei­dun­gen des Sej­miks ist der Wo­je­wod­schafts­vor­stand ver­ant­wort­lich. Er be­steht aus dem Vor­sit­zen­den, dem Mar­schall der Wo­je­wod­schaft, zwei Stell­ver­tre­tern und wei­te­ren Mit­glie­dern und wird vom Sej­mik aus dem Kreis der Ab­ge­ord­ne­ten ge­wählt. Ihm un­ter­ste­hen das Mar­schall­amt und die Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten der Selbst­ver­wal­tung. Der Wo­je­wod­schafts­vor­stand ist auf der Basis der vom Sej­mik ver­ab­schie­de­ten Rechts­vor­schrif­ten und Be­schlüs­se auch für die Or­ga­ni­sa­ti­on der in­ter­re­gio­na­len Kon­tak­te ver­ant­wort­lich. Ge­plan­te Pro­jek­te sind über den Wo­je­wo­den dem Au­ßen­mi­nis­te­ri­um zur Ge­neh­mi­gung zu­zu­lei­ten.

Der Mar­schall ist wei­ter­hin ver­ant­wort­lich für Fra­gen des Ver­kehrs­we­sens mit re­gio­na­lem Bezug, was die Zu­stän­dig­kei­ten für re­gio­na­le Stra­ßen eben­so wie die Pflicht zur Ko­or­di­na­ti­on von Fahr­plä­nen im Per­so­nen­ver­kehr um­fasst. Die Wo­je­wod­schaft darf über­dies ei­ge­ne Trans­port­un­ter­neh­men be­trei­ben.

Der Mar­schall hat zudem das Recht, im Fall gra­vie­ren­der fi­nan­zi­el­ler Pro­ble­me eines Un­ter­neh­mens, die län­ger als einen Monat an­dau­ern, aus ei­ge­ner In­itia­ti­ve oder auf An­trag der Ge­werk­schaf­ten die Aus­zah­lung von Leis­tun­gen in Höhe eines Mo­nats­loh­nes an die be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­ter an­zu­ord­nen.

Die Fi­nanz­mit­tel der Wo­je­wod­schaft stam­men aus dem ei­ge­nen Haus­halt, so ge­nann­ten Ziel­fonds sowie all­ge­mei­nen Sub­ven­tio­nen und zweck­ge­bun­de­nen Zu­wen­dun­gen des Zen­tral­staa­tes. Die ei­ge­nen Ein­nah­men, die im Re­gel­fall nicht für die Er­fül­lung der Auf­ga­ben aus­rei­chen, set­zen sich u. a. zu­sam­men aus:  

  • einem 1,5%igen An­teil des Ge­samt­auf­kom­mens der Ein­kom­men­steu­er für na­tür­li­che Per­so­nen auf dem Ge­biet der je­wei­li­gen Wo­je­wod­schaft
  • einem 0,5%igen An­teil der Ge­samt­ein­nah­men der Ein­kom­men­steu­er für ju­ris­ti­sche Per­so­nen und Or­ga­ni­sa­tio­nen ohne Rechts­per­sön­lich­keit auf dem Ge­biet der Wo­je­wod­schaft
  • Ein­nah­men aus dem Ver­mö­gen der Wo­je­wod­schaft
  • Ein­nah­men aus Buß­gel­dern, Zin­sen und Ka­pi­tal­erträ­gen

Bud­get der Wo­je­wod­schaft Ma­so­wi­en 2008:

Ein­nah­men: 830 Mio. Euro (2,726 Mrd. PLN)
Aus­ga­ben: 1,024 Mrd. Euro (3,379 Mrd. PLN)

Die Wo­je­wod­schaf­ten ver­fü­gen über eine ei­ge­ne Rechts­per­sön­lich­keit und sind somit in der Lage, u. a. pri­vat­recht­li­che Ver­trä­ge ab­zu­schlie­ßen.

[Quel­len: Wies­law Bo­ka­jlo: Polen - Die neuen Woi­wod­schaf­ten im Eu­ro­pa der Re­gio­nen, in: Eu­ro­päi­sches Zen­trum für Föderalismus-​Forschung (Hg.): Jahr­buch des Fö­de­ra­lis­mus 2000, Baden-​Baden 2000, S. 340 ff.;
Wlod­zi­mierz Durka: Re­form der öf­fent­li­chen Ver­wal­tung in Polen , in: Deutsch-​polnische Ge­sell­schaft Bran­den­burg et al (Hg.): TRAN­SODRA Nr. 19, Fe­bru­ar 1999, S. 53 - 58 (Deutsch-​Polnisches In­for­ma­ti­ons­bul­le­tin);
Internet-​Seite der Wo­je­wod­schaft Ma­so­wi­en www.ma­zo­via.pl ]

Mi­nis­ter­prä­si­dent Dr. Rei­ner Ha­se­loff: „Die engen deutsch-​polnischen Be­zie­hun­gen sind ein wich­ti­ges Fun­da­ment der deut­schen Au­ßen­po­li­tik und ein Glücks­fall für Sachsen-​Anhalt. Seit nun­mehr über zwei Jahr­zehn­ten be­steht un­se­re freund­schaft­li­che Zu­sam­men­ar­beit mit der Wo­je­wod­schaft Ma­so­wi­en, wel­che sich über die Jahre auf viel­fäl­ti­ge Be­rei­che er­streckt hat.“