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Ein neues Leben nach der Haft

Das ESF-Projekt ZEBRA in Halle hilft ehemaligen Häftlingen wieder auf die Beine

(Von Sylvia Bösch, 11.08.2020) 

Ludwig* stammt aus schwierigen Familienverhältnissen und ist seit seinem zwölften Lebensjahr alkoholabhängig. Inzwischen ist Ludwig Ende 50 und hat sein Leben wieder ganz gut in den Griff bekommen. Bis dahin war es jedoch ein langer und harter Weg. Seine Alkoholsucht hat sich nicht nur über Jahrzehnte immer weiter verschlimmert, sondern er saß auch für einige Zeit im Gefängnis. Nach seiner Entlassung war Ludwig zunächst obdachlos. Als ihm eine Wohnung angeboten wurde, war diese in einem schlechten Zustand und ohne Möbel. „Das unter einer schweren Alkoholsucht zu bewerkstelligen, ist annähernd aussichtslos. Er hat es auch nicht geschafft, entsprechende Hilfen bei Ämtern zu beantragen“, erläutert Steffi Hasse vom Verein Freie Straffälligenhilfe in Halle. „Das ging sogar so weit, dass er sich fast das Leben nehmen wollte.“ 

Unterstützung bei Ämtergängen und Wohnungssuche

Von dem Verein, der ehemalige Gefängnisinsassen dabei unterstützt, nach ihrer Haftstrafe wieder im normalen Leben Fuß zu fassen, hatte Ludwig während seiner Haft gehört. Er entschied sich dazu, dort Hilfe zu suchen. „Wir haben mit ihm gemeinsam die Ämtergänge gemacht und Anträge gestellt. Außerdem haben wir ihm geholfen, die Wohnung einzurichten, und dass er später in die Langzeittherapie gekommen ist“, so Hasse. Ein Jahr später konnte Ludwig sogar in eine wesentlich bessere Wohnung in einem sehr guten Umfeld umziehen, welche über den Kooperationspartner Hallesche Wohnungsgesellschaft mbH vermietet wird. „Durch die Therapie und die engen Kontakte ist es uns gemeinsam gelungen, dass sein Tagesablauf wieder so strukturiert werden konnte, dass er selbstständig handeln konnte.“ Sein größtes Manko sieht Ludwig darin, dass ihm ohne Beschäftigung langweilig wird und die Langeweile zwangsläufig zum Griff zur Flasche führt. Dazu kommt, dass er noch verschiedene Geldstrafen ableisten musste, die er nicht zahlen konnte. „Also haben wir ihm erst einmal angeboten, bei uns im Verein gemeinnützige Arbeit zu leisten. Das heißt, dass wir ihm kleinere Aufgaben gegeben haben, die er schrittweise ausgeführt hat, wie zum Beispiel das Büro zu reinigen oder kleine Besorgungen zu erledigen“, erzählt die Projektleiterin, die inzwischen seit elf Jahren für den Verein tätig ist. Die Vermittlung von ehemaligen Straffälligen in gemeinnützige Arbeit, etwa in Sport- und Kulturvereinen oder Einrichtungen der Städte und Gemeinden, ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Tätigkeit. Damit werden Ersatzfreiheitsstrafen abgewendet. Auch bei der Jobsuche bietet das Team des Vereins Freie Straffälligenhilfe seinen Klienten Unterstützung an, etwa bei der Suche nach passenden Jobangeboten im Internet, beim Schreiben von Bewerbungen sowie Zusammenstellen von Unterlagen. Auf Wunsch begleiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie auch zu Bewerbungsgesprächen.

ESF finanziert 80 Prozent der Projektkosten

So wie Ludwig stehen ehemalige Gefängnisinsassen oft vor dem Nichts. Dass der 2004 gegründete Verein Freie Straffälligenhilfe e. V. Halle die Betroffenen umfänglich betreuen und wieder zu einem normalen Leben zurückführen kann, ist vor allem im Rahmen des Projektes „ZEBRA Halle“ möglich. Unterstützt wird das Projekt aus dem Programm „Täter-Opfer-Ausgleich, Gefangenen- und Entlassenenfürsorge sowie sonstige Beihilfen und Unterstützungen“ des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes Sachsen-Anhalt. Mit rund 600.000 Euro übernimmt der ESF 80 Prozent der Gesamtkosten. 

Seit 2007 ist „ZEBRA Halle“ Bestandteil des Landesprojekts „ZEBRA“. Die Abkürzung steht für Zentren für „Entlassungshilfe, Beratung, Resozialisierung, und Anlaufstelle zur Vermittlung gemeinnütziger Arbeit“ und gliedert sich in ein landesweites Netzwerk mit zwölf Trägern. Grundlage der Projektarbeit ist ein Rahmenkonzept, das gemeinsam durch das Justizministerium Sachsen-Anhalt, den Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung Sachsen-Anhalt e. V. und durch die Träger der freien Straffälligenhilfe erarbeitet wurde. Das Projektangebot richtet sich an Haftentlassene – soweit sie nicht unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht stehen, Inhaftierte im Rahmen der Entlassungsvorbereitungen, von Haft bedrohte Menschen und Angehörige. Etwa 500 Klienten nutzen jährlich die Angebote des Vereines in Halle. Von seinem Angebot erfahren die Straffälligen oft schon während der Haft über Flyer, Aushänge, ihre Sozialarbeiter oder von anderen Häftlingen. Auch in Entlassungskursen wird auf das Projekt „ZEBRA“ aufmerksam gemacht. Außerdem sind in verschiedenen Einrichtungen Flyer ausgelegt und eine Internetseite informiert über das Angebot.

Planungssicherheit über sieben Jahre

Insgesamt sieben Jahre, noch bis zum 30. Juni 2022, läuft das Projekt. „Das ist für uns eine große finanzielle Sicherheit über einen langen Zeitraum. Dadurch können wir Personal wesentlich besser halten. Für die Klienten ist es sehr wichtig, dass ihre Ansprechpartner nicht laufend wechseln“, betont Steffi Hasse. Neben ihr sind noch drei weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verein fest angestellt. Unterstützt werden sie von ehrenamtlichen Helfern, wozu auch ehemalige Klienten zählen. „Wir haben außerdem Glück, dass in Halle und Merseburg Studentinnen und Studenten des Fachgebietes Soziale Arbeit großes Interesse daran haben, bei uns Praktika zu machen. Einige sind bei uns anschließend auch ehrenamtlich tätig“, so Hasse. Ludwig ist mittlerweile seit zwölf Jahren im Verein und wirkt dort aktiv bei den Freizeitangeboten mit, die Steffi Hasse dort alle 14 Tage für ehemalige Straffällige organisiert. Er kann inzwischen alle Dinge selbständig machen, hat eine ordentliche, saubere Wohnung und kocht sogar selbst. „Für mich ist es das Schönste an meinem Job, zu sehen, wenn es Klienten gelingt, aus dieser Riesenschleife herauszukommen, für sich einen guten Weg zu finden und nicht rückfällig zu werden“, betont Steffi Hasse.*Name wurde von der Redaktion geändert.

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Weitere Quellen:

Presseportal „Europa vor Ort in Sachsen-Anhalt“ der Europäischen Kommission