Treffpunkt Gründercafé
Technologie- und Gründerzentrum bietet Kurse für Existenzgründer an
(Von Bianca Kahl, 23.11.2017)
„Die meisten Existenzgründer haben wahrscheinlich keine Ahnung, wie man eine betriebswirtschaftliche Auswertung richtig ausliest und was die einzelnen Posten da eigentlich bedeuten.“ Robert Pohlmann spricht aus Erfahrung. Für ihn selbst als studierter BWLer stellen Bilanz und Buchhaltung zwar keine Hürden dar. Doch es gibt andere Gebiete, in denen er anfangs unsicher war: Wie verkauft man sich und seine Leistung am besten, wie geht man auf Kunden zu und wie gestaltet man seine Preise? „Man darf nie so arrogant sein und denken, man weiß alles”, sagt er.
Gabriele Völker lächelt ihn verständnisvoll an. Sie kennt die Probleme, mit denen Selbstständige zu kämpfen haben, zu gut. Manchmal wirkt die Gründungsberaterin wie eine Art helfende Fee. Viele ihrer Kundinnen und Kunden begleitet sie von Anfang an. „Die Leute kommen schon zu mir, bevor sie ihr Unternehmen gründen“, erzählt sie. Gabriele Völker arbeitet für die Technologie- und Gründerzentrum Jerichower Land GmbH (TGZ) in Roßdorf bei Genthin. Das TGZ bietet Qualifizierungskurse für Existenzgründer an. So kann man sich zum Beispiel in der Phase vor der Gründung über Themen wie Gewerberecht, Handwerksordnung, Steuern, Versicherungen, Finanzierungen und Kundengewinnung informieren.
Kurse behandeln individuelle Fragen
„Ein bisschen ist das wieder, als geht man zur Schule. Wir hatten ein richtig straffes Programm“, erinnert sich Robert Pohlmann. Er selbst hat mit seinen Partnern Marila und Maximilian Zielke-Jabs aber erst nach der Unternehmensgründung Qualifizierungskurse besucht – ein weiteres Angebot im TGZ. Da geht es eher um die Unternehmensführung, die Profilierung der Firma, rechtliche Grundlagen, Auftragsbearbeitung, Zeitmanagement und moderne Bürokommunikation. „Das Schöne ist, dass man einfach mit seinen individuellen Themen kommt und die Dozenten ihren Unterricht inhaltlich auf die Fragen der Teilnehmer ausrichten“, so Pohlmann. Und dann fügt er lachend an: „Wir haben unsere Dozenten gelöchert.“
Vor etwa drei Jahren gründeten Pohlmann und die Geschwister Zielke-Jabs das Unternehmen Maxi Werbung GbR in Burg bei Magdeburg. Die Agentur steht, neben Werbung aller Art, auch hinter der Informationsplattform www.meetingpoint-jl.de – eine Art digitaler Treffpunkt mit tagesaktuellen Nachrichten für das Jerichower Land. Heute treffen sich „die Maxis“, wie sie Gabriele Völker fast freundschaftlich nennt, aber ganz real mit ihr in einem Café, um Neuigkeiten auszutauschen. Am Tisch sitzen auch die TGZ-Geschäftsführerin Beatrix Pausch sowie Ashwaq Al-Obaidi, die Betreiberin eines arabischen Lebensmittelladens in Burg. Sie hat ebenfalls an einem Nachgründungskurs im TGZ teilgenommen.
Die Kontakte, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander knüpfen, halten oft über Jahre. „Viele aus dem Kurs treffen sich noch. Wir kochen zusammen und tauschen uns aus”, sagt Ashwaq Al-Obaidi. Diese Verbindungen können auch wirtschaftlich interessant werden. Denn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen nicht nur aus dem gesamten Landkreis Jerichower Land, sondern auch aus den verschiedensten Branchen. Das ermöglicht viele Synergieeffekte: Jeder bringt nicht nur seine eigenen Fragen, sondern auch sein Fachwissen mit. Manch eine oder einer kann dann in seinem Fachgebiet sogar dem Dozenten noch etwas erzählen.
Wissen wird kostenlos vermittelt
„Wir waren auch eine richtig bunte Truppe”, erinnert sich Pohlmann. „Vom Hausmeisterservice über eine Versicherungsvertreterin und eine Trommlerin bis hin zum Restaurantbetreiber und zur Optikerin war alles dabei“, erinnert er sich. Positiv seien auch die guten Konditionen: Nicht nur, dass das Wissen kostenlos vermittelt wird. Die Gründerinnen und Gründer erhalten sogar eine kleine finanzielle Zuwendung pro Tag. „Das ist super, denn als Unternehmer habe ich ja auch einen Dienstausfall, während ich dort lerne und nicht arbeiten kann”, findet Pohlmann.
Möglich macht dies alles das Förderprogramm des Landes ego.-WISSEN. Es finanziert Qualifizierungsmaßnahmen bis zu fünf Jahre nach einer Unternehmensgründung. Organisiert werden die konkreten Angebote dann von regionalen Trägern vor Ort – wie dem TGZ im Jerichower Land. Seit dem Jahr 2015 wurden hierfür etwa 797.000 Euro bereitgestellt, etwa 638.000 Euro davon aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF). Doch auch aktuell laufen wieder Kurse und Beatrix Pausch plant mit Gabriele Völker bereits weiter voraus. Ihr Ziel ist es, noch mehr Menschen in der Region zur Gründung zu ermutigen.
Die Gruppe möchte ihren Kaffee bezahlen, doch Ashwaq Al-Obaidi überrascht mit einer Nachricht: Sie war bereits an der Theke und hat die gesamte Rechnung übernommen. Alle verabschieden sich lachend. Es war schön, sich wiederzusehen und sich auszutauschen. Wäre das nicht eine Idee für die Zukunft? Ein Gründercafé für die Zeit, in denen die Unternehmen bereits aus den Kinderschuhen herausgewachsen sind? Beatrix Pausch und Gabriele Völker bedauern es ohnehin, dass sie bisher keine Angebote für das „Später” haben. Denn viele ihrer ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen nach einigen Jahren wieder – mit ganz neuen Fragen. Sie haben dann zum Beispiel jemanden eingestellt oder wollen sich in irgendeiner Form vergrößern. Das klingt nach unternehmerischem Erfolg. Die Kurse scheinen also die richtigen Grundlagen zu legen.