Menu
menu

Der ganze Geschmack einer Region in einer Kiste

- von Kai Bieler -

Nicht selten wird man auf die Vielfältigkeit und Originalität regionaler Produkte erst dann aufmerksam, wenn man in den Dörfern eher zufällig auf kleine Familienbetriebe und deren Hofläden stößt. Mit dem LEADER-Kooperationsprojekt „Regiokiste Mittelelbe“ schlägt der Verein Regionalmarke Mittelelbe e.V. neue Wege bei der Vermarktung heimischer Erzeugnisse ein und versammelt ausgewählte Waren von ortsansässigen Kleinbetrieben unter einer gemeinsamen Dachmarke.

Heimische Produkte liegen im Trend. Aktuellen Studien nach stufen Verbraucher neben der Warenfrische auch die Glaubwürdigkeit regionaler Erzeugnisse oftmals höher ein, als die von gängigen Supermarkt-Labels. Demnach ist gut die Hälfte aller Deutschen sogar bereit, für die Unterstützung kleiner ländlicher Produzenten, deren Waren ökologisch erzeugt werden und garantiert „aus der Region“ stammen, mehr zu bezahlen. Doch die mitunter schwierige Erreichbarkeit der Waren, die oft nur vor Ort von kleinen Familienbetrieben verkauft werden, stellt für viele Interessenten eine nur schwer überwindbare Hürde dar – zumal man nicht selten einen Geheimtipp benötigt, um die passenden Anbieter ausfindig zu machen.

Der Verein Regionalmarke Mittelelbe e.V. aus Dessau-Roßlau, der sich für ein nachhaltiges, transparentes Wirtschaften mit regionalen Ressourcen einsetzt, fasste angesichts dieser Tatsachen im Sommer 2011 einen Entschluss: „Wir wollen hochwertige Produkte aus dem Raum Mittelelbe zusammenzuführen und unter einer gemeinsamen Dachmarke anbieten“, erklärt Dr. Ralf-Peter Weber, Vereinsvorsitzender die Grundidee. Mit dem Vertrieb der Produkte über sogenannte „Regiokisten“ soll den Kleinproduzenten ein neuer, saisonunabhängiger Absatzmarkt eröffnet und parallel dazu den Käufern ein klares Signal zur Herkunft der Waren gesendet werden.

Unterstützung bei dem Vorhaben erhielt der Verein von der Lokalen Aktionsgruppe (LAG) "Anhalt", welche auf eine bereits bestehende Kooperation mit der Österreichischen LAG „Weinviertel Retzer Land“ zurückgriff. Beide Regionen wollten jeweils eine eigene Regiokiste entwickeln und schlossen sich infolgedessen zusammen, um sich gegenseitig zu neu gewonnenen Erkenntnissen zur Umsetzung auszutauschen. Das dadurch entstandene transnationale LEADER-Kooperationsprojekt wurde von dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) mit 16.734,19 EUR gefördert, was fast drei Viertel der benötigten Gesamtkosten entspricht. Mit der Förderung unterstützt die EU ländliche Regionen bei der eigenständigen Entwicklung sowie bei der Umsetzung von innovativen Aktionen. Neben der Entwicklung der Kisten und einem maßgeschneiderten Corporate Design konnten so auch die Grundlagen für einen Web-Shop zum Vertrieb der mittelelbischen Produkte sowie ein begleitender Info-Flyer geschaffen werden.

„Regionalkisten waren uns schon aus anderen Gebieten bekannt, was uns einen guten Ansatzpunkt für unsere eigene Konzeption lieferte“, berichtet Dr. Weber, der gemeinsam mit der LEADER-Gruppe intensiv untersuchte, nach welchen Kriterien die Produkte für die neue Kiste ausgewählt werden sollen. „Da der Begriff „regional“ als Herkunftsbezeichnung nicht geschützt ist, war es uns wichtig, eine klare und nachvollziehbare Gebietsabgrenzung in unserer Satzung zu verankern, um dem Verbrauer die Herkunft der Waren transparent zu machen“, betont Dr. Weber. Vertrieben werden unter der Marke „Regiokiste Mittelelbe“ deshalb ausschließlich Produkte, die aus Betrieben der Landkreise Bitterfeld-Anhalt, Dessau-Roßlau und Wittenberg stammen. Zusätzlich müssen die Produzenten nachweisen, dass mindestens drei Viertel aller verwendeten Rohstoffe ebenfalls aus diesem Gebiet kommen. Mit dieser Transparenz grenze sich die „Regiokiste Mittelelbe“ deutlich von herkömmlichen Vertriebsstrategien ab.

„Wir haben bei ausgewählten Kleinerzeugern in der Region angefragt und deren Waren entsprechend in unsere Produktpalette aufgenommen“, erzählt Dr. Weber. Mittlerweile haben 50 Produkte von 24 regionalen Familienbetrieben, Initiativen und Direktvermarktern ihren Weg in die Regionalkiste gefunden. Seit Ende 2012 können diese einzeln oder in thematisch zusammengestellten Kisten online über den Internetauftritt der „Regiokiste Mittelelbe“ bestellt werden. „Durch den sprichwörtlichen Einsatz von Kisten, die jeweils einem bestimmten Motto folgen, mischen sich die Produkte untereinander, wodurch wir noch besser auf die Vielfalt der heimischen Produkte aufmerksam machen können“, unterstreicht Dr. Ralf-Peter Weber den Vorteil. Die „große“ Wildkiste beispielsweise bündelt Wildschweinschinken, Bärlauchpesto, Heidelbeer-Fruchtaufstrich und Straußeneierlikör – „unser Verkaufsschlager in der Vorweihnachtszeit“, verrät er. Neun verschiedene Kombinationen, die preislich jeweils zwischen 25 und 50 EUR liegen, stehen zu Auswahl. Auf Wunsch können die Käufer den Inhalt allerdings auch individuell zusammenpacken lassen. Das Angebot reicht von ausgefallenen Variationen von karamellisierter Kürbiskonfitüre über Lindenhonig bis zu Streuobstwiesenlikör und Straußenpastete – alle in der Region produziert und verarbeitet.

Das Konzept mit der Kiste geht auf: Allein Ende des vergangenen Jahres bearbeitete der Verein Regionalmarke Mittelelbe e.V. über 100 Aufträge, für dieses Jahr rechnet Dr. Weber mit mindestens 1.000 Bestellungen. „Wir bekommen außerdem immer mehr Anfragen von Kleinerzeugern, welche in die Regiokiste aufgenommen werden möchten. Das zeigt uns, dass die Idee mit der Kiste sowohl bei den Käufern als auch bei den heimischen Betrieben angekommen ist. Wenn das Interesse weiterhin anhält“, so Dr. Weber, „müssen wir unsere Kapazitäten bald aufstocken.“

Weitere Informationen unter: http://www.regiokiste.com/ 

Bildrechte:  Regionalmarke Mittelelbe e.V.

Der ELER trägt in Sachsen-Anhalt mit rund 904 Millionen Euro EU-Mittel - ein Viertel der gesamten dem Land von der EU zugewiesenen Fördergelder - dafür Sorge, dass die Entwicklung des ländlichen Raums sich als integraler Bestandteil der Gesamtpolitik für Beschäftigung und Wachstum vollzieht. Zusammen mit der nationalen Kofinanzierung stehen öffentliche Ausgaben in Höhe von 1,16 Milliarden Euro bereit. Zusätzlich will Sachsen-Anhalt 240 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt beisteuern, so dass das Land rund 1,326 Milliarden Euro für die Entwicklung des ländlichen Raums einsetzen kann.