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Im Hopfen-Infohaus fließt nicht nur Gerstensaft

Pflege des bäuerlichen Hopfenbaus als Teil eigener Identität der Menschen in Groß Santersleben

- von Grit Gröbel -

Im Ratszimmer von Groß Santersleben tagen die Ratsmitglieder, die weitere Entwicklung ihres Dorfes steht auf dem Programm. Es gehört seit Jahresbeginn zur neuen Einheitsgemeinde Hohe Börde und Ortsbürgermeister Andy Zacke ist stolz darauf, dass er diese mit etwas bereichern kann, was ganz im Einklang mit der regionalen Geschichte steht. „Jedes Dorf bringt in die große Einheitsgemeinde sein gesellschaftliches Kleinod mit ein. Für das Heimatgefühl ist das wichtig. Das unsere  ist eng mit dem Hopfen verbunden. Die Groß Santerslebener entschlossen sich bereits vor Jahren zum Umbau eines denkmalgeschützten Gebäudes zum Hopfen-Infohaus.“, gibt der Bürgermeister kund.
Vom damaligen Ratsbeschluss ging eine wahre Initialzündung für die Dorfentwicklung aus! Begonnen hat sie im Jahr 2008 mit Sanierungsbeginn des alten Bauernhauses in der Dorfstraße 13. Es war übrigens das letzte, dass bis dahin den Dorfplatz mit seinen Linden noch im trostlosen, dem Verfall preisgegeben Zustand säumte. Heute beherbergt das zweigeschossige, einstige Wohnhaus das Hopfen-Museum.

Die Ausstellung erinnert an den Hopfenanbau, der noch bis zum Jahr 2000 das Bild der Gegend prägte. Die Hohe Börde war das nördlichste Anbaugebiet Deutschlands. „Ich kenne noch die Hopfenfelder beim Nachbarort Schackensleben. Doch heute werde ich von vielen gefragt, wie Hopfen denn eigentlich aussehe. Unser Museum ist deshalb nicht nur Heimatpflege sondern auch für die Erhaltung von Wissen unerlässlich.“, betont Andy Zacke. Kurzum: Hier begegnen sich Tradition und Fachwissen sowie Menschen von nah und fern. Denn das Hopfen-Infohaus ist mehr als ein Museum. Auch eine Gaststube für Vereins- und Familienfeiern, bei denen der Gerstensaft ganz bestimmt zum guten Ton des Hauses zählt, gehört dazu. Oder der Jugendclub im Dachgeschoss. Er bietet den jungen Leuten genügend Raum. Beispielsweise für eine Runde „Kniffel“, die die Clubleiterin Carmen Behr gerade mit drei Jugendlichen spielt, während auf gleicher Etage  die Ratsmitglieder diskutieren. Der Jugendclub ist gut ausgestattet. Und damit sind nicht nur die Medienanschlüsse für TV und Web gemeint, sondern etwas auf den ersten Blick ganz Simples: Eine Kochecke. Hier fand schon so manche Nudelparty statt. Die “Kniffel“-Freunde betonen, dass sie dafür selbst kochen. Ein Vergnügen, das erst mit dem Einzug ermöglicht wurde. Vorher mussten sich die Jugendlichen in einem Container treffen. Und so geräumig und ausgestattet wie bei „Big Brother“ war der natürlich nicht!

Auch Vereine geben sich die Türklinke in die Hand. Unter ihnen die Laufgruppe „Hopfen“ aus Schackensleben oder das DRK. Er lädt alle 14 Tage die Senioren des Ortes zu Freizeitangeboten ein. Und wenn aus der Ferne die Reisegruppen vorbeischauen oder die Schulklassen sich über den Hopfen informieren wollen, sind Doris Lauenroth und Klaus-Dieter Schaper zur Stelle. Als „gute Seelen“ des Museums betreuen sie die Gäste und verraten mit geschwollener Brust, dass ihr Bürgermeister gleich nebenan, im Nachbarhaus einst das Licht der Welt erblickte, einer von hier sei und ihm mit der Sanierung des Hauses ein tolles „Paradestück“ gelang. Hätte er dies gehört, so wäre wohl seine natürlich und erfrischend wirkende Bescheidenheit wieder zum Vorschein gekommen. Denn er betont das gute Zusammenleben in der Gemeinde, verweist auf die Unterstützung durch die Europäische Union. Mit immerhin 250.000 Euro bezuschusste sie die Maßnahme mit Geldern aus dem EU-Fonds ELER – einem wichtigen Förderinstrument zur Entwicklung des ländlichen Raums. Und damit diese Hand und Fuß hat, sind die geförderten Maßnahmen von Groß Santersleben mit denen in den Nachbarorten abgestimmt. „Leben und Arbeiten auf dem Dorf – Bördegemeinde 2020“ heißt das Gesamtkonzept, was Teil des so genannten ILEK – dem integrierten ländlichen Entwicklungskonzept – für Sachsen-Anhalt ist.

Geht es jetzt noch in der Ausstellung allein rund um den Hopfenanbau für die Brauereiwirtschaft, so wird schon bald auch die Nutzung für den medizinischen Bereich präsentiert werden. Eigens dafür wird der benachbarte, ehemalige Kuhstall hergerichtet. Im ersten Schritt wird im Frühjahr das Dach erneuert. Das ist ein sichtbares Zeichen, dass hier mit Verstand gewirkt, sprich: investiert, wird. Getreu der von den Bauherren am Haus verewigten Inschrift: „Wirke mit Verstand und Fleiß, scheue nie den sauren Schweiß, dann wird dich auf deinen Wegen stets begleiten Gottes Segen. – Andreas Wischerop und Elisabeth Wischerop, geb. Zimmermann, 1841“.

Der ELER trägt in Sachsen-Anhalt mit rund 904 Millionen Euro EU-Mittel - ein Viertel der gesamten dem Land von der EU zugewiesenen Fördergelder - dafür Sorge, dass die Entwicklung des ländlichen Raums sich als integraler Bestandteil der Gesamtpolitik für Beschäftigung und Wachstum vollzieht. Zusammen mit der nationalen Kofinanzierung stehen öffentliche Ausgaben in Höhe von 1,16 Milliarden Euro bereit. Zusätzlich will Sachsen-Anhalt 240 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt beisteuern, so dass das Land rund 1,326 Milliarden Euro für die Entwicklung des ländlichen Raums einsetzen kann.