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Ganz im Geiste Nietzsches

Friedrich-Nietzsche-Stiftung erhält neue Wirkungsstätte – Dokumentationszentrum entsteht mit Unterstützung durch die Europäische Union

- von Grit Gröbel -

Ein Haus für den freien Zugang zum Wort! Das symbolisiert nicht nur die von Tag zu Tag besser erkennbare Architektur des im Bau befindlichen Nietzsche Dokumentationszentrums in Naumburg. Vielmehr wird er gelebt, wenn sich ab Herbst die Türen des Gebäudes öffnen werden.

Während die Handwerkstruppe von René Göbel, die die markante Fassade aus Holzpfostenriegeln gezimmert und montiert hat, dem Material bei endlich frühlingshaften Temperaturen im wahrsten Sinne des Wortes den letzten Schliff gibt, laufen auch bei der Friedrich-Nietzsche-Stiftung die Vorbereitungen auf die Eröffnung ihres neuen Domizils auf Hochtouren.

Nietzsche, der sich aus seinem Eigenverständnis heraus als Weltbürger und Europäer sah, war zugleich in der mitteldeutschen Kulturlandschaft fest verwurzelt. Dieses Selbstbild aufgreifend, entsteht bis zum Herbst 2010 das Nietzsche-Dokumentationszentrum – mit rund 1,6 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

Im zukünftigen Untergeschoss wird die sogenannte „Krummelsammlung“ beherbergt werden. Mit Unterstützung des Landes aus den USA angekauft, ist sie derzeit im Stadtarchiv eingelagert. Im Spätsommer – so die bisherige Planung – werden die Stiftungsmitarbeiter die Sammlung nach und nach in den Neubau überführen können und katalogisieren. Die gesamte Nietzsche-Literatur wird dann an einem zentralen Ort der Welt frei zugänglich werden – der Forschung als auch den Bürgern. „Mit der Sammlung erweitern wir unsere wissenschaftliche Tätigkeit. Dass die Werke in solch einem offen gestalteten, Leichtigkeit ausstrahlenden Gebäude, wie es das Zentrum wird, untergebracht sind, wird Friedrich Nietzsche nur allzu gerecht.“, untermauert Dr. Ralf Eichberg, Direktor der Friedrich-Nietzsche-Stiftung. Schon jetzt verweist er auf den vom 14. bis 17. Oktober stattfindenden Kongress, der von der Nietzsche-Gesellschaft erstmalig gemeinsam mit seiner Stiftung ausgerichtet wird. Spätestens bis dahin muss nicht nur alles stehen, sondern auch die Forschungsarbeit aufgenommen sein. Schließlich werden dann Wissenschaftler aus der ganzen Welt im Dokumentationszentrum über Nietzsches Wirkungen philosophieren.

Solche Aufmerksamkeit würdigt die Stadt Naumburg. Diplom-Ingenieurin Sylvia Heinze vom Hochbauamt betont, dass das Projekt der erste kommunale Neubau in der Innenstadt sei. Mit dem städtischen Engagement ist auch die Öffnung des Zentrums für die Naumburger verbunden. So wird es regionale Kulturveranstaltungen wie etwa Gesprächsreihen geben. Das Architekturbüro ging bei der Planung auf die unterschiedlichen Nutzungsvarianten ein, ohne die Großzügigkeit des Baus an sich zu schmälern.

Doch wie nicht selten im Leben liegt die Finesse im Verborgenen. So auch bei diesem Gebäude. Die Architektin Sabine Brück integrierte sogenannte Erdsonden in die Baumaßnahme. Sie entziehen dem Boden Wärme – zum Beheizen und im Wärmaustausch auch zum Kühlen des Gebäudes. Diese umweltorientierte Betriebstechnik sorgt für die Eigenversorgung und Minimierung der Betriebskosten.

Da die Sonden in 145 Meter Tiefe eingebracht sind, wird mit Inbetriebnahme nichts von ihnen zu sehen sein. Vielmehr wird die verglaste Holzpfostenriegelfassade nicht nur markanter Blickfang sein, sondern auch im Kontrast zu dem Nachbarhaus stehen, in dem der Philosoph ab 1858 zu Besuch bei seiner Mutter weilte und dort zwischen 1890 bis 1897 von ihr gepflegt wurde. In diesem Haus wurde im Jahre 1894 das Nietzsche-Archiv gegründet, welches bis Ende des zweiten Weltkrieges eine politisch einseitige Wirkung entfaltete und Nietzsche in die ideologische Nachbarschaft des Nationalsozialismus führte. Im doppelten Sinn ist der Bau auch hier ein Neubeginn. Er ermöglicht einen freieren Blick auf Nietzsches Denken und beherbergt zugleich die vielfältige und oft problematische Wirkungsgeschichte seiner Philosophie. Im Bau versinnbildlicht sich die Transparenz wissenschaftlicher Forschung, die nach Jahrzehnten einseitiger Interpretation und politischer Zurichtung an der Zeit ist.