Menu
menu

Digitales Geld, Blockchain und Smart Contracts

EFRE-gefördertes Gründerlabor für Finanzwirtschaftler an der Uni Magdeburg

(Von Sylvia Bösch, 27.03.2020)

„Seit etwa fünf Jahren fordern IT-getriebene Innovationen die Betriebswirtschaft heraus. Im Bereich der Bankdienstleistungen werden zum Beispiel Wertpapiere von Robo-Advisern – also von Maschinen – kombiniert, zu Produkten gebündelt und angeboten. Da gibt es fast gar keine menschliche Interaktion mehr“, erklärt Prof. Dr. Elmar Lukas. Am Lehrstuhl für Innovations- und Finanzmanagement der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg erforscht er mit seinem Team Entwicklungen und Prozesse in der Finanzwelt. „Irgendwann kam der erste Bitcoin auf. Diese Kryptowährung hat erst einmal für einen Paradigmenwechsel im Zahlungsverkehr gesorgt. Blockchain-Anwendungen, also Ketten aus Transaktionsblöcken, schaffen nicht nur Vertrauen zwischen Transaktions-Partnern, sondern übernehmen auch Dokumentationen. Über sogenannte Smart Contracts, d. h. elektronische Verträge, ermöglichen sie zudem die Automatisierung von vielfältigen betriebswirtschaftlichen Entscheidungsprozessen“, so Elmar Lukas.

In zwei Jahren rund 40 Gründungsinteressierte
Elmar Lukas hat Physik und Wirtschaftsingenieurwesen auf Diplom studiert, wurde aber in der Wirtschaftswissenschaft promoviert und habilitiert. Von Anfang an war er daran interessiert, auch technische Aspekte in die Betriebswirtschaftslehre zu bringen. Deshalb hat er das FinTechLab – das Finance & Technology Laboratory – auf dem Magdeburger Unicampus eingerichtet. Das Labor bietet Raum und Ausstattung für die Wissenschaftler, um Prototypen rund um die neuen Technologien zu entwickeln. An das Labor ist auch eine Gründungswerkstatt angeschlossen. Seit ihrer Gründung vor etwa zwei Jahren hat sie schon knapp 40 junge Gründungsinteressierte aus verschiedenen Fakultäten angezogen. Entstanden ist die Werkstatt im Rahmen des EU-Förderprojektes „ego.-Inkubator FinTech“. Die Fördergelder in Höhe von 255.500 Euro stammen aus dem Programm ego.-Inkubator des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Das Projekt ist in das Technologie- und Gründerzentrum (TUGZ) der Universität Magdeburg eingebettet und wird von diesem organisatorisch betreut. An der Universität Magdeburg gibt es bereits 12 weitere Labore und Werkstätten, die auch als ego.-Inkubatoren oder MakerLabs bezeichnet werden. Die ego.-Inkubatoren werden ebenfalls mit Mitteln aus dem EFRE sowie vom Land Sachsen-Anhalt gefördert.

Erste Prototypen für Dienstleistungen und neue Produkte
„In dem Projekt „ego.-Inkubator FinTech“ bieten wir gründungsinteressierten Mitarbeitern und Studenten die Möglichkeit, die Problemkreise Robo-Adviser, Blockchain, Smart Contracts und Kryptowährung zu analysieren, zu verstehen und daraus erste kleine digitale Prototypen für Dienstleistungen oder neue Produkte zu entwickeln“, erläutert Elmar Lukas. Ein Großteil der EU-Mittel im Projekt wird für die Bereitstellung von Hardware-Komponenten vorgesehen. So bietet das Labor Zugang zu einer kommerziellen Finanzmarkt-Datenbank sowie zu Rechnern, auf denen eine Blockchain läuft. Momentan sei die FinTech-Welt noch sehr stark Start-up-getrieben und es hätten sich noch keine Standards entwickelt. Daher könnte Deutschland noch eine Vorreiterrolle einnehmen, hofft Lukas. „Die N26 ist eine der größten FinTech-Banken. In Sachsen-Anhalt haben sich schon kleine FinTech-Start-ups etabliert. Da wollen auch wir unseren Beitrag leisten“, betont er.

Open Lab Day, bei dem sich Gründerteams vorstellen
„Unsere Aufgabe in dem Projekt ist es, dass wir Studierende sensibilisieren, überhaupt erst einmal eine Gründung als Alternative zu einer klassischen Karriere wahrzunehmen“, sagt Lukas. Dafür nutzt er seine Vorlesungen und zeigt dort u. a. Beispiele von erfolgreichen FinTechs. Außerdem bieten sich Tage der offenen Tür, Gruppenarbeiten und Seminararbeiten an. Pro Semester erreicht er etwa 550 Studentinnen und Studenten. „Im letzten Jahr haben wir einen Open Lab Day mit 50 Teilnehmenden, u. a. aus der Finanzwelt und der Industrie, durchgeführt. Damit zum Beispiel Banken oder andere Unternehmen auf unsere Gründerteams aufmerksam werden und sie vielleicht in den nächsten Gründungs-Stufen begleiten“, sagt Lukas. Insgesamt elf Gründungsprojekte haben sich dort vorgestellt. Interessierte konnten nachher mit den Gründern direkt in Kontakt treten. Auch potenziell neue Gründungsinteressierte konnten mit bereits gründungsaffinen Studierenden in den Dialog treten. „Das Format war sehr erfolgreich und wir wollen es gerne weiterhin einmal im Jahr anbieten“, erzählt Elmar Lukas.

Nicht alle Gründungsinteressierten stellen sich den Herausforderungen einer Gründung. Manche belassen es auch beim Ausprobieren einer Idee. „Andere gehen schon etwas weiter und bewerben sich auf internationalen Gründer-Wettbewerben. Wir unterstützen sie dabei. Wir üben mit ihnen Präsentationen, helfen sie zu verbessern und geben inhaltliche Hilfestellung“, so Lukas. Insgesamt drei Projekte sind bisher über das Ausprobieren vor Ort hinaus in die nächste Stufe gegangen. Sie wurden weiterhin vom TUGZ betreut, um dann die anschließende Förderung für die Gründung ihres Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Eine Gründergruppe hatte zum Beispiel die Idee, eine Plattform zu schaffen, über die sich vor allem Menschen aus den Schwellen- und Entwicklungsländern ohne eigenes Bankkonto unkompliziert Geld leihen können. Mit einer Kryptowährung und über Blockchain- sowie Smartphone-Applikationen sollen sie Zugang zu Kapital erhalten. Bei einer anderen Idee ging es um eine Blockchain-Lösung, die den Stromhandel zwischen zwei Haushalten ermöglicht, ohne dass ein klassischer Versorger notwendig ist.

EU-Projekt geht in Verlängerung
Elmar Lukas freut sich, dass er mit seinem Team noch viele weitere Gründungsinteressierte an der Uni Magdeburg unterstützen kann. Denn sein Antrag auf eine Projektverlängerung um zwei weitere Jahre wurde bewilligt. Er betont: „Wenn es um den digitalen Wandel in Bereichen wie Industrie 4.0 und Finance geht, müssen Hilfestellungen an die richtige Stelle fließen. Die EU-Politik macht das momentan sehr vorbildlich. Sie ist schnell innovationsbereit und stellt sozusagen die Weichen.“

Hier finden Sie weitere interessante Beispiele, wie die Menschen von EU-Fördermitteln aus ELER, EFRE und ESF in Sachsen-Anhalt nachhaltig profitieren.

Weitere Quellen:
Presseportal „Europa vor Ort in Sachsen-Anhalt“ der Europäischen Kommission

Website des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insb. Innovations- und Finanzmanagement:
http://www.ifm.ovgu.de/

Website des Transfer- und Gründerzentrums (TUGZ): https://www.tugz.ovgu.de/

FinTech im Gründerszene-Lexikon: https://www.gruenderszene.de/lexikon/begriffe/fintech?interstitial