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Smarte Lösungen für die digitale Baustelle

EU-gefördertes Forschungsprojekt bringt die Industrie 4.0 voran

(Von Alexander Lorber, 05.07.2019)

Auf Baustellen herrscht für gewöhnlich reger Betrieb. Doch wenn einmal ein wichtiges Bauteil fehlt, drohen lange Ausfallzeiten. Genauso können Fehler bei der Wartung zu Unfällen führen und für lange Ausfälle sorgen. Das kann etwa für einen Chemieparkbetreiber, der eine neue Anlage baut, äußerst teuer werden. Diese Abläufe auf Baustellen können durch digitale Technologien schneller, sicherer und effizienter werden. Deshalb haben sich das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und Automatisierung (IFF) und die Cosmo Consult TIC GmbH sowie weitere Branchenpartner im Forschungsprojekt „Digitale Baustelle – Industrie 4.0“ zusammengetan. Gemeinsam haben sie eine neue Informations- und Kommunikationsplattform geschaffen, um sämtliche digitalen Daten von Baustellenprozessen aufzubereiten und für die Anlagenbauer und Monteure nutzbar zu machen. Die Europäische Union unterstützt das Projekt mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Die EU-Fördermittel setzen dabei den Schwerpunkt auf die Steigerung der Innovationskraft am Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt und unterstützen die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen mit Unternehmen aus dem Mittelstand.

Rundgang über die digitale Baustelle
„Wir haben in einer Potenzialstudie festgestellt, dass bis zu 40 Prozent der Arbeiten auf Baustellen unproduktiv sind“, erläutert Andrea Urbansky, die für das Fraunhofer IFF im Projektteam mitarbeitet. Ein Grund dafür sind vor allem Lücken im Informationsaustausch. Zwar werden Prozessanlagen fast vollständig in 3D am Computer geplant, auf der Baustelle wird aber oft noch mit Papierliste und Klemmbrett hantiert. Dass es auch anders geht, konnte das Projektteam mit der Entwicklung eines virtuellen Standortinformationssystems beim Unternehmen „Stahlbau Magdeburg“ demonstrieren. Das System erlaubt den Mitarbeitern, das gesamte Werksgelände am Computer zu überblicken. Jede Maschine, jedes noch so kleine Werkzeug wird mit Sensoren verfolgt und lässt sich dadurch in Echtzeit lokalisieren. Die Mitarbeiter erhalten auch Informationen über Verfügbarkeiten und anstehende Wartungstermine. Da ist es nur noch ein kleiner Schritt zur smarten Baustelle, auf der sich der gesamte Montageprozess digital vordenken lässt und dadurch in der Praxis reibungslos ablaufen kann. Der Anlagenbauer erhält mehr Planungssicherheit und kommt nicht in Verzug, etwa weil plötzlich eine Dichtung fehlt.

Eine App bringt mehr Sicherheit
Nicht nur von Menschen verursachte Fehler sorgen für zeitliche Verzögerungen auf der Baustelle, auch Unfälle können die Ursache sein. Die „intelligent vernetzte Baustelle“ könnte in diesem Bereich für mehr Sicherheit sorgen. Zum Beispiel mit einer App, um das Personal besser zu schulen. Eine solche App hat das EU-geförderte Projektteam entwickelt. Sie nennt sich „Safety Instructor“ und ist nur eine von zahlreichen Anwendungen, die das Team auf seinem Web-Portal bereithält. „Mit dem „Safety Instructor“ kann das Baustellenpersonal, das oft aus vielen verschiedenen Ländern stammt, schon vor Ankunft auf der Baustelle die Sicherheitseinweisung erhalten und eine Prüfung ablegen“, erklärt Thomas Müller von der Firma Cosmo Consult TIC GmbH. Bislang mussten solche Schulungen sowie eine Prüfung der Kenntnisse vor Ort durchgeführt werden. Mit dem „Safety Instructor“ kann das Personal von jedem beliebigen Ort aus mit Smartphone oder Tablet die Schulung absolvieren und ein elektronisches Sicherheitszertifikat erwerben. Über das Portal kann der Anlagenbetreiber überprüfen, ob alle Mitarbeiter ihre Schulung absolviert haben. Das Portal liefert den Mitarbeitern aber auch ganz allgemeine Informationen: Etwa den aktuellen Speiseplan oder wo sich die Raucherzelte befinden. Es informiert die Arbeiter zudem tagesaktuell über besondere Ereignisse auf der Baustelle.

Um die Apps auf dem Web-Portal zu nutzen, erhalten die Kooperationspartner einen eigenen Zugang und können über die cloudfähige Plattform die verschiedenen Apps und Assistenten nutzen. Dabei steht ihnen das Projektteam beratend zur Seite und kann seine mobilen Anwendungen und Technologien stetig verbessern. „Viele Unternehmen würden den Aufwand wahrscheinlich aufgrund zu hoher Kosten scheuen. Wir bieten ihnen einen echten Anreiz, diesen Schritt in Richtung Industrie 4.0 zu wagen und ihre betrieblichen Abläufe dadurch zu optimieren“, erläutert Urbansky.

Abläufe beschleunigen, Ausfälle vermeiden
Ziel des mit EFRE-Mitteln geförderten Projekts ist es, die digitale Transformation in den Chemieparks des Landes aktiv voranzutreiben, erklärt Andrea Urbansky: „Wir sind bereits heute in der Lage, den kompletten Prozess vom Engineering bis zur Montage und der Inbetriebnahme auf der Baustelle digital abzubilden.“ Allerdings müssen die Betreiber auch in die Digitalisierung investieren. „Ich freue mich daher, wenn nicht nur Großkonzerne in neue Technologien investieren, sondern auch Unternehmen aus dem Mittelstand, die sich zu einer Kooperation mit uns entschließen“, betont Andrea Urbansky. „Solche Kooperationen wären ohne europäische Fördermittel kaum denkbar, da die reine Forschungsarbeit anfangs wirtschaftlich kaum profitabel ist“, ergänzt Thomas Müller von Cosmo Consult. Mehr Planungssicherheit zu erhalten ist hingegen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Die digitalen Lösungen aus dem EU-Projekt helfen den Anlagenbetreibern nicht nur dabei, die Sicherheit für ihre Mitarbeiter zu erhöhen, sondern auch effektiv Kosten zu sparen: „Bei einem Shutdown einer großen verfahrenstechnischen Anlage werden adhoc bis zu 5.000 Handwerker in einem Zeitraum von sechs bis acht Wochen zusätzlich tätig. Jeder Tag Verzug, an dem die Produktion nicht planmäßig wieder anläuft, kostet den Betreiber Millionen“, sagt Urbansky.

Die EU fördert den Industriepark der Zukunft
Deswegen haben das Fraunhofer IFF und die Cosmo Consult nach Abschluss der EU-geförderten „Digitalen Baustelle“ schon ein Nachfolgeprojekt gestartet, den „Smart Industry Park – Smart Asset“. „Darin erweitern wir unseren Fokus von der Baustelle auf den ganzen Industriepark und untersuchen, was sich unter anderem aus dem Bereich „Smart City“ darauf übertragen lässt, um weitere Anwendungen für das bestehende Portal zu entwickeln, die noch mehr Kosteneinsparung und Effizienz erzielen“, berichtet Thomas Müller. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt: Verkehrsleitlenkung, effiziente Lichtsteuerung, Apps zur Anzeige von Containerfüllständen und digitale Lagepläne. Dabei profitieren die Projektpartner von den vielen Partnerschaften, die im Gemeinschaftsprojekt „Digitale Baustelle“ entstanden sind. Dazu gehören etwa die Kontakte mit Herstellern von smarten Sensoren, um noch mehr Daten erfassen und auswerten zu können. „Assistenzsysteme, Gestensteuerung, der Einsatz mobiler Endgeräte wie etwa Hololensen: Es gibt noch vieles, was wir erproben und weiterentwickeln möchten. Es gibt also noch viel Arbeit zu erledigen“, bestätigt Andrea Urbansky.

Hier finden Sie weitere interessante Beispiele, wie die Menschen von EU-Fördermitteln aus ELER, EFRE und ESF in Sachsen-Anhalt nachhaltig profitieren.

Weitere Quellen:

Portal „Europa vor Ort in Sachsen-Anhalt“ der Europäischen Kommission

Website des Gemeinschaftsprojekts „Digitale Baustelle – Industrie 4.0