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Forschungsverbund „Autonomie im Alter“

Alterskrankheiten vorbeugen, Lebensqualität erhalten

(Von Walter Liedtke, 14.07.2021) 

Manchmal führen ganz kleine Ursachen zu sehr großen Auswirkungen. So kann etwa ein winziges Darmbakterium namens Clostridioides difficile besonders bei älteren Menschen zu schweren Darmentzündungen führen und damit ihre Lebensqualität und Selbstständigkeit stark einschränken. Mit welchen vorbeugenden Maßnahmen man solche Darmentzündungen vermeiden kann und wie diese Erkrankungen in Wechselwirkung zu Leberkrankheiten stehen, das untersucht das Forschungsprojekt LiLife am Universitätsklinikum Magdeburg. Der Studienleiter Dr. Alexander Link und sein Team bringen ihre Ergebnisse in einen Forschungsverbund ein, der in Sachsen-Anhalt bereits seit Anfang 2016 tätig ist. Er heißt „Autonomie im Alter“ und wird zu 85 Prozent aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert und zu 15 Prozent durch das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung Sachsen-Anhalts. Die EFRE-Mittel machen etwa 90 Prozent der Förderung aus. Für das Forschungsprojekt LiLife bedeutet das eine Unterstützung von rund 918.000 Euro EFRE-Mittel. Der Verbundkoordinator ist der Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Prof. Dr. Christian Apfelbacher.

Wechselwirkungen zwischen Leber und Darmbakterien

Dr. Astrid Eich-Krohm pflegt als Leiterin des Zentralprojekts „Autonomie im Alter “ mit ihrem Team den persönlichen Kontakt zu allen Teilprojekten, auch zum Forschungsprojekt rund um die kleinen Darmbakterien und ihre Wechselwirkungen mit der Leber. Zu diesem Thema hatte es bereits in der vergangenen Förderperiode ein Vorgängerprojekt gegeben. Darauf baut LiLife nun auf: „Die Mikrobiome im Darm sind sehr wichtig für die Immunabwehr“, erläutert Eich-Krohm: „Das LiLife-Projekt sucht nach guten Bakterien, die die Leber bei ihrer Arbeit unterstützen und die Immunabwehr stärken.“ Das Projekt untersucht ebenso den Einfluss der Bakterien auf im Alter häufiger auftretende Erkrankungen wie Leberverfettung oder Leberkrebs. Es werden sowohl Stuhlproben genommen als auch Blutuntersuchungen vorgenommen. Man erforscht unter anderem die Erfolgsbedingungen von Stuhltransplantationen. „Dabei werden einem kranken Menschen der Stuhl von einem gesunden Menschen zugeführt, um die Darmschleimhaut zu heilen“, so Eich-Krohm. 

Vielfältige anwendungsorientierte Forschung

Unter dem Dach von „Autonomie im Alter“ gibt es nicht nur biomedizinische Projekte, die für den Bereich „Körper und Alter(n)“ stehen. Andere Forscherinnen und Forscher beschäftigen sich mit Fragen von „Versorgung und Alter(n)“. Die dritte Kategorie stellt Digitalisierung und technische Anwendungen in den Vordergrund und heißt „Technik und Interaktion und Alter(n)“. Der Forschungsverbund „Autonomie im Alter“ weist nach fünf Jahren eine gute Erfolgsbilanz auf. „Wir sind mit 18 Projekten gestartet und zu Beginn war es völlig unklar, dass wir irgendwann bei 50 Projekten sein würden,“ freut sich Eich-Krohm. „Das gemeinsame Ziel ist es, die Selbstständigkeit älterer Menschen zu stärken damit sie so lange wie möglich in der Häuslichkeit bleiben können. Aber wir sind sehr heterogen aufgestellt, denn allen Projekten liegen unterschiedliche wissenschaftliche Methoden zugrunde“, erklärt die Medizinsoziologin und Pflegewissenschaftlerin. Die Projekte werden nicht nur an Universitäten in Magdeburg und Halle durchgeführt, sondern auch an der Hochschule Harz, der Hochschule Magdeburg-Stendal, der Hochschule Anhalt sowie Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und An-Institute sind beteiligt.

Trotz Corona haben alle Projekte durchgehalten

Aufgrund der Corona-Pandemie mussten in den Jahren 2020 und 2021 alle Untersuchungen am Menschen heruntergefahren werden. Als sich eine Person im Team mit Corona infizierte und daraufhin das gesamte Team unter Quarantäne stand, führte dies zum vorübergehenden Stillstand. „Wir konnten zeitweise überhaupt keine Patienten für Blutabnahmen mehr ins Klinikum hereinlassen und keine Hausbesuche machen“, erinnert sich Eich-Krohm. Wenn in einem Projekt zum Beispiel 250 Probanden untersucht werden sollten und man diese nicht kontaktieren durfte, musste der Forschungsplan umgestellt werden. Kreative Lösungen waren gefragt. So vermittelte Astrid Eich-Krohm Anfragen bei anderen Forschenden auf dem Campus, ob sie Material in einer Biobank eingefroren hätten, dass man ersatzweise nutzen könnte. „Wir waren wirklich überrascht, dass alle versucht haben, das Beste aus der Situation zu machen. Das hat auch mit dem wissenschaftlichen Interesse zu tun: Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wollen etwas herausfinden. Und davon lassen wir nicht ab.“ 

Warum Männer nicht zu Vorsorgeuntersuchungen gehen

Diese Beharrlichkeit stellt auch das Team um Prof. Dr. Stefanie March, Dr. Enno Swart und Dr. Christoph Stallmann an der Hochschule Magdeburg-Stendal und der Universität Magdeburg im Projekt „Prima LSA “ unter Beweis. Sie haben 4.000 Menschen aus Sachsen-Anhalt angeschrieben, die älter als 55 Jahre sind, und sie unter anderem dazu befragt, welche Vorsorgeuntersuchungen sie im Laufe ihres Lebens wahrgenommen haben. Das scheint für viele Menschen ein wichtiges Thema zu sein, denn das Team konnte sich über eine sehr gute Rücklaufquote von 27 Prozent freuen. Außerdem werten die Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sogenannte Sekundärdaten aus. Das sind die Statistiken etwa von Krankenkassen, die solche Präventionsuntersuchungen abrechnen. 

„Beim Thema Vorsorgeuntersuchungen gibt es sicher eine Genderkomponente, weil das Problem stärker bei den Männern gesehen wird“, vermutet Astrid Eich-Krohm: „Frauen sind sehr viel besser ins Gesundheitssystem und in präventive Angebote eingegliedert als Männer.“ Männer gehen häufig erst zu Untersuchungen, wenn sich akute Beschwerden zeigen: „Die Frage ist, ob es dann nicht zu spät ist, um den Gesundheitszustand wiederherzustellen." Das Projekt Prima LSA will die Frage beantworten, warum Menschen nicht zu Vorsorgeuntersuchungen gehen und was sich in der Prävention ändern muss, damit Vorsorgeuntersuchungen stärker wahrgenommen werden. Das sei vermutlich auch eine Frage der Sozialisation, so Eich-Krohm: „Wenn man nicht einbestellt wird und nicht gelernt hat, regelmäßig zum Arzt zu gehen, dann macht man das auch nicht.“ 

Unterstützt mit rund 331.000 Euro EFRE-Mitteln, wirken im Projekt Prima LSA nicht nur promovierte Forscherinnen und Forscher mit, sondern wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen Master-Abschluss besitzen oder sich in einem Master-Programm befinden. Bachelor-Studierende sind als wissenschaftliche Hilfskräfte dabei. Neben dem Nutzen der Forschungsergebnisse für alte Menschen in Sachsen-Anhalt hat das Projekt dadurch auch einen Anschubeffekt für die Anwerbung von Nachwuchsforscherinnen und -forschern: „Man muss früh beim Nachwuchs anfangen und sie für die Forschungsarbeit gewinnen“, weiß Astrid Eich-Krohm.

Hier finden Sie weitere interessante Beispiele, wie die Menschen von EU-Fördermitteln aus ELER, EFRE und ESF in Sachsen-Anhalt nachhaltig profitieren.  

 

Weitere Quellen:

  • Website des Projekts „LiLife