Das „kleine Schwarze˝
Select MINT will Technik für Mädchen in Mode bringen
Von Bianca Kahl
„Das ist ein Patchblock mit integriertem Mikrocontroller˝, erklärt Florian Schwarz. Wenn viele nur Bahnhof verstehen und schnell das Interesse verlieren, wird es für acht Schülerinnen gerade erst spannend. Mit Hilfe einer speziellen Software befassen sie sich drei Tage lang damit, aus einem kleinen schwarzen Kasten – dem Patchblock – ein elektronisches Musikinstrument zu machen. Der Workshop mit dem Elektrotechnik-Studenten Florian Schwarz an der Hochschule Magdeburg Stendal ist Teil des Programms „Select MINT˝, das Mädchen für Technik und Naturwissenschaften begeistern will.
„Wir können in der Elektrotechnik jedes Jahr bis zu 60 Studierende aufnehmen und der Frauenanteil liegt dabei deutlich unter zehn Prozent. Da macht ein Mädchen mehr oder weniger schon etwas aus˝, sagt Prof. Dr. Dieter Schwarzenau. Aktuell sei bei der Berufswahl die Schere zwischen Jungen und Mädchen einfach viel zu groß. Deshalb hat er gemeinsam mit dem Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung gGmbH (isw) den Workshop mit Florian Schwarz organisiert, der bei ihm als studentische Hilfskraft arbeitet und selbst Hobbymusiker ist.
Die Teilnehmerinnen sind Oberstufenschülerinnen aus ganz Sachsen-Anhalt. Das Programmieren des eigenen elektronischen Musikinstruments soll sie neugierig machen, wie es im Inneren dieses „kleinen schwarzen Kastens˝ aussieht und wie das alles funktioniert. Denn das lernt man am Institut für Elektrotechnik.
Im Raum erklingen die ersten elektronischen Melodien. „Soll ich da noch einen Filter einstellen?˝, fragt ein Mädchen und zeigt Florian Schwarz auf dem Bildschirm das Schaltbild, wie sie es soeben programmiert hat. Er rät ihr, stattdessen die Frequenzen der Töne zu ändern. „Ich würde das Ding gern mal auseinander nehmen˝, sagt indes Luisa Schulz. Die 19-jährige Schülerin von der IGS „Regine Hildebrandt˝ in Magdeburg ist hergekommen, nachdem ihre Eltern von dem Angebot in der Zeitung gelesen haben. Neben ihr sitzt die 16-jährige Louise Kars vom Domgymnasium. Gemeinsam machen sie sich Gedanken, warum so wenige Mädchen einen naturwissenschaftlichen Beruf anstreben. „Es ist gar nicht unbedingt so, dass die Mädchen selbst kein Interesse haben˝, vermuten die beiden. Stattdessen hätten sie beobachtet, dass man schon früh von seinem Umfeld, auch von seinen Eltern, auf typische Mädchenberufe hin beeinflusst wird.
Diese Einschätzung teilt auch Isabelle Geoerg, die beim isw für das Projekt Select MINT mitverantwortlich ist. Sie spricht deshalb nicht nur Oberstufenschülerinnen an, sondern ist auch bestrebt, für ein Umdenken bei Eltern wie auch Lehrerinnen und Lehrern zu sorgen. Stereotype Rollenmuster sollen aufgebrochen werden und die Mädchen können sich praxisnah Berufen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik/Ingenieurwissenschaften nähern. „Wir befassen uns am isw schon seit mehreren Jahren mit dem Thema Berufsorientierung und damit, wie sie altersgerecht und schulformspezifisch professionalisiert werden kann˝, sagt sie. „Select MINT˝, das von einer Jury im Rahmen eines Wettbewerbes des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt ausgewählt wurde und mit rund 220.000 Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert wird, habe sich dabei als logisches Folgeprogramm aus vorangegangenen Projekten ergeben.
Angeboten werden nicht nur Forschungs- und Projekttage im Bereich Elektrotechnik/ Elektronik, sondern auch im Bereich Medieninformatik, Robotik, Geowissenschaften, Mathematik (Symmetrie) und mehr. Select MINT ermöglicht den Schülerinnen aber auch Projektarbeiten an Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Land. Unter anderem können sie an beweglichen Solarzellen forschen, ein berührungsloses Musikinstrument bauen oder mit dem Fraunhofer Institut in Halle zusammenarbeiten.
Isabelle Geoerg geht gern auf die individuellen Wünsche der Schülerinnen ein. „Wo hat man das schon, dass eine Hand voll junger Leute durch ein Unternehmen geführt wird, sie ihre Fragen stellen können und so eine exklusive Betreuung bekommen?˝, fragt sie. Übernachtung und Verpflegung sind für die Schülerinnen während der Forschungswochen im Projekt inbegriffen. Dass sie mit den acht Mädchen aus dem Elektrotechnik-Workshop abends ins Kino geht und ihnen das Hundertwasserhaus und den Dom zeigt, ist für sie Ehrensache. Schließlich sollen sich die Schülerinnen wohlfühlen.
Auch für Prof. Dr. Dieter Schwarzenau ist es eine persönliche Herzenssache, mit seinem Engagement eine Trendwende bei der Berufswahl einzuleiten. Schließlich sei es die Aufgabe eines Ingenieurs, Produkte zu entwickeln: „Das macht man für Menschen und die Hälfte der Menschen ist weiblich.˝ Die weibliche Denkweise in der Forschung und Entwicklung sei also unentbehrlich. Außerdem mache es die Zusammenarbeit viel angenehmer, wenn auch Frauen in einem Team mitarbeiten. „Der Umgang miteinander ist einfach anders˝, findet Schwarzenau. „Ich persönlich hatte immer das Glück, dass ich auch Frauen zu meinem Kollegenkreis zählen kann.˝