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Den Hebel frühestmöglich ansetzen

Studierende in die Wirtschaft integriert - „Praxisbilder“ fördert den Arbeitsmarkt präventiv

- von Grit Gröbel -

Was geschieht, wenn sich BWL-Studenten mit denen der Medien- und Kommunikationswissenschaft, mit angehenden Anglisten und Studierenden der Interkulturellen Europa- und Amerikastudien zusammen tun? Es entsteht eine Expertengruppe, die sich wissbegierig in das Wirtschaftsleben stürzt. So geschehen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Geradezu ideale Bedingungen hat der Verein zur Förderung der Kooperation von Wissenschaft und Arbeitswelt in Sachsen-Anhalt e.V. für die Bachelor-Studenten geschaffen, um in die Wirtschaft nicht nur hineinzuschnuppern, sondern auch, um gemeinsam mit Firmen ein Projekt zu entwickeln, eigenes Wissen einzubringen und anzuwenden, frühzeitig Kontakte zu knüpfen als auch berufliche Perspektiven im Land zu gewinnen. Die Studenten erhalten Einblicke in die betriebliche Praxis, die Unternehmen profitieren vom „frischen Wind“ und neuen Betrachtungsweisen im Unternehmen durch die jungen Menschen. Das in diesem Wintersemester an der Martin-Luther-Universität umgesetzte Projekt heißt deswegen zu Recht: „Praxisbilder – Wirtschaft trifft Campus“.

Als Modellprojekt vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit unterstützt, ist das Projekt ein Impulsgeber für die Unternehmen, ihren potenziellen Fachkräftenachwuchs so früh wie möglich kennen zu lernen. Zugleich schafft „Wirtschaft trifft Campus“ neue Strukturen für den Wissenstransfer. Denn alle Beteiligten erhalten mit dem Projekt die Möglichkeit, neue Ansätze der Vernetzung zu erproben. Nicht zuletzt deshalb fördert die Europäische Union diese Maßnahme mit 210.000 Euro aus dem Europäischen Sozialfonds. Nochmals 70.000 Euro kommen vom Land Sachsen-Anhalt.

Bereits im Studienjahr zuvor warben die Projektmitarbeiter bei den Klein- und Mittelständlern dafür, gleich mehrere Studenten über mehrere Monate zu betreuen. Nicht selten begegneten sie der Skepsis, ob der akademische Nachwuchs die in der Wirtschaft notwendige Flexibilität und Eigenorganisation aufbringen wird. Für diejenigen Unternehmen, die als Mentor aktiv waren, hat sich die Bereitschaft gelohnt. So fasst zum Beispiel Dr. Jürgen Laubner, Objektleiter der HALLE MESSE GmbH, den Ergeiz der Studenten zusammen: „Das für mich überzeugendste Ergebnis ist es, dass bei den Studierenden etwas übergesprungen ist, was man bei uns als Firmenphilosophie bezeichnet. Etwas Schöneres als solch ein persönliches Fazit kann es einfach nicht geben.“ Dr. Laubner betreute gleich zwei studentische Expertengruppen. Eine von ihnen beschäftigte sich mit der Messe „Chance“, brachte neue Sichtweisen in das Marketing und die Kommunikationsarbeit ein. Dora Osinde, eine junge Frau im 3. Semester, sprüht förmlich vor Begeisterung, als sie von ihren Projekterfahrungen erzählt. „Wir haben Skype-Konferenzen gemacht, um ständig in Kontakt zu sein. Denn wir studieren ja an verschiedenen Fakultäten, haben alle ein sehr hohes Pensum im Bachelor-Studium. Da helfen solche Wege für den Informationsaustausch.“
Einen bestätigenden Blick ihres Kommilitonen auffangend, untermauert Dora, dass die interdisziplinäre Zusammensetzung der Teams hilft. „Unsere Gruppe konnte so verschiedene Blickwinkel einbringen.“

Das Studium mit der praktischen Projektarbeit in Einklang zu bringen, ermahnte zu hoher Eigendisziplin. Manchen war der Aufwand zu groß, sie stiegen vorzeitig aus. Die verbliebenen Gruppenmitglieder brachten dennoch ihr Werk zu Ende. Unter ihnen die Chemiestudentinnen der bei der Abfallwirtschaft Halle GmbH involvierten Gruppe. Und sie können stolz darauf sein, nicht nur durchgehalten, sondern eigenes Wissen getestet und gute Kontakte geknüpft zu haben. Schließlich gehören sie schon bald zu den Absolventen - auf der Suche nach beruflicher Perspektive.

Mit den während der Projektarbeit angeeigneten Kompetenzen wie die Teamfähigkeit, das unternehmerische Denken und die Fähigkeit Probleme zu lösen, haben sie und alle anderen dabei gute Startpositionen. Werden sie und die weiteren der rund 50 Kommilitonen darüber hinaus nach einem weiteren persönlichen  Lerneffekt gefragt, so lautet die Antwort fast einhellig: Verbessertes Zeitmanagement, mehr Flexibilität bei der Aufgabenlösung, Ziele selbst bestimmen und immer wieder überprüfen, gegebenenfalls auch neu ausrichten. Nicht selten war das hart erkämpft.
Quittiert wird das mit einem zufriedenen Blick von Susan Willhardt, Projektleiterin der Kooperationsstelle. Denn genau solche Schlüsselqualifikationen will „Wirtschaft trifft Campus“ vermitteln. Mit den „Praxisbilder“-Projekten entstand ein Studienangebot, was im Sprachgebrauch der universitären Lehre ASQ-Modul heißt. Die Belegung des Moduls bedeutet für jeden Studierenden, dass er am Ende den begehrten „Schein“ in den Händen hält. Doch nicht nur das! Manche der Teilnehmer bekamen von ihrem Mentor das Angebot, ihre Bachelor-Arbeit in der Firma zu schreiben. Auf diese Weise können beispielsweise die späteren Sozialwissenschaftler aus der studentischen Expertengruppe der HaPeC AG am Thema dranbleiben. Für die Leipziger Firma beschäftigten sie sich in den vergangenen Monaten mit Controllinglösungen im Gesundheits- und Pflegewesen.
Auch für Susan Willhardt und ihr Team ist das Projekt mit der Semester-Abschlussveranstaltung am 4. Februar nicht zu Ende gegangen. Im kommenden Sommersemester sollen die Erfahrungen in die Arbeit an der Hochschule Anhalt einfließen. Im nächsten Schritt wird ein Praxisreferenten-Pool aufgebaut. Mit dem Feedback von den in Halle beteiligt gewesenen Firmen werden sie hoffentlich auf weit mehr offene Ohren stoßen, als im vergangenen Frühsommer bei ihren ersten Gesprächen zur Firmengewinnung, wenn es darum geht, den jungen Leuten so früh wie möglich den Einblick in das reale Wirtschaftsleben zu geben, eigene Perspektiven auszuloten. Nicht irgendwo, sondern hier im Land.

Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist das soziale Gesicht Europas. Mit rund 640 Millionen Euro unterstützt dieser Fonds der Europäischen Union (EU) von 2007 – 2013 Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Ausbildungsprogramme des Landes Sachsen-Anhalt. Bis 2013 werden so etwa 16 200 Projekte gefördert und damit rund 245 000 Menschen im Land direkt erreicht.