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„Ich werd´ später mal Tischlerin!“

Das EU-Förderprogramm BRAFO hilft Schülerinnen und Schülern bei der Berufswahl

(Von Alexander Lorber, 03.02.2020)

„Heute wollen wir gemeinsam ausprobieren, wie man ein Verkaufsgespräch führt“, erklärt Ausbilderin Gabi Bauer der Schülergruppe einer Sekundarschule in Bernburg (Saale). Im nächsten Moment sind die Schülerinnen und Schüler in einem fiktiven Kaufhaus tätig, beraten eine Kundin, die warme Winterschuhe sucht, und üben den Umgang mit Geld an der Registrierkasse. Die Kinder im Alter von etwa zwölf Jahren nehmen am Projekt BRAFO („Berufswahl Richtig Angehen Frühzeitig Orientieren“) teil, das mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und der Bundesagentur für Arbeit gefördert wird. BRAFO wird in ganz Sachsen-Anhalt an allen Sekundarschulen, Gesamt-, Gemeinschafts- und Förderschulen angeboten. Der Projektträger St. Johannis GmbH führt das Projekt am Standort Bernburg, in seinem Berufsfachzentrum, gemeinsam mit dem Kooperationspartner BTZ Bildungsgesellschaft für Schulkinder der 7. Klasse aus insgesamt sieben Schulen in der Umgebung durch. Dabei erhalten die Fachkräfte von übermorgen spannende Einblicke in Berufe, die sie sich oft ganz anders vorgestellt haben.

Künstler? Forscherin? Logistiker?
„Wir möchten die Kinder neugierig auf die Vielzahl an Ausbildungsberufen machen, für die sie sich nach dem Schulabschluss entscheiden können“, sagt Birgit Becker, Koordinatorin für BRAFO beim Projektträger St. Johannis GmbH. Es geht um Interessen und Neigungen und darum, eine realistische Vorstellung von der Arbeitswelt zu erhalten. Dabei soll BRAFO die jungen Menschen auch davon überzeugen, dass es typische Frauen- oder Männerberufe in diesem Sinne nicht mehr gibt, sondern ihnen grundsätzlich alle Berufe offenstehen. „Wenn wir das Projekt in der Schule vorstellen, hören wir ganz oft von den Kindern, dass bereits der ältere Bruder oder die Schwester an BRAFO teilgenommen haben“, berichtet Birgit Becker. „Das finden wir ganz toll, denn dann freuen sich die Kinder auf das Projekt und sind mit voller Aufmerksamkeit dabei.“

Expedition durch die vier Berufswelten
Zunächst wird BRAFO zum Schuljahresanfang den Klassenleitenden vorgestellt, damit diese das Programm in ihren Schulunterricht einplanen können. Zur Mitte des Schuljahres lernen die Eltern das Projekt bei einem Elternabend kennen. Im zweiten Schulhalbjahr startet BRAFO dann im Unterricht mit einem Kompetenzerkundungstag: „Dort erklären die Ausbilder und Sozialpädagogen den Schülern erst einmal die vier verschiedenen Berufswelten, in denen die praktische Interessenserkundung stattfindet“, erläutert Birgit Becker. Vier Lebenswelten gibt es zu entdecken, die grob das Spektrum an Berufsfeldern aus der gesamten Arbeitswelt abdecken. Es gibt einen technischen, einen sozialen, einen kulturellen und einen informativen Themenbereich. „Sicher können wir nicht alle Berufe abdecken, aber wir haben uns diejenigen herausgepickt, von denen die Kinder schon einmal etwas gehört haben und die sehr anschaulich sind“, sagt Birgit Becker.

An den vier Praxistagen, die entweder im Berufsfachzentrum der St. Johannis GmbH oder bei der BTZ Bildungsgesellschaft stattfinden, erhalten die jungen Teilnehmenden einen Einblick in alle vier Lebenswelten. In jeder Lebenswelt können sie aus einem von drei Tätigkeitsfeldern wählen: „Sie lernen zum Beispiel, wie sie in der Holzwerkstatt ein Regal zusammenbauen“, erklärt Birgit Becker. „Dieses Regal dürfen die Kinder nachher sogar mit nach Hause nehmen.“ Außerdem erfahren sie, wie man Pflanzen züchtet, Tiere pflegt, was in der Altenpflege zu tun ist, wie Werbung gemacht wird oder können sich im Verkauf oder als Lagerist ausprobieren. „So merken die Kinder schnell, was ihnen Spaß macht und welche Tätigkeiten ihnen gut liegen“, ergänzt Ausbilderin Gabi Bauer. Ihre Schulgruppe ist gerade dabei, in einem kleinen Lagerraum Kundenaufträge zu bearbeiten, die Ware in Pakete zu packen, sie zu wiegen und die Kosten zu berechnen. „Dabei wird ihnen auch der Sinn von gründlichem Arbeiten klar“, betont Bauer.

ESF fördert praktische Berufsorientierung
Der ESF unterstützt die St. Johannis GmbH als Projektträger bei der Durchführung von BRAFO mit Mitteln in Höhe von rund 497.000 Euro im Rahmen der Förderperiode 2014-2020. Fördermittel, ohne die das Angebot in dieser Form kaum umsetzbar wäre, wie Birgit Becker bekräftigt: „Wir sind eine gemeinnützige Bildungseinrichtung und aus diesem Grund auf die Förderung von der EU und dem Bund angewiesen.“
Das Berufsfachzentrum der St. Johannis GmbH unterstützt außerdem die Berufsorientierung junger Menschen im Rahmen von Werkstatttagen sowie berufsvorbereitenden, berufsbegleitenden und aktivierenden Maßnahmen.
Außerdem freut sich Becker, dass die St. Johannis GmbH mit der BTZ Bildungsgesellschaft als verlässlichem Partner zusammenarbeiten kann: „Durch diese Kooperation können wir den jungen Menschen sehr praktische Einblicke verschaffen.“ Denn die BTZ Bildungsgesellschaft in Bernburg bildet im Ausbildungsverbund selbst in technischen Berufen aus, sodass die Schülerinnen und Schüler den Auszubildenden bei ihrer Arbeit über die Schulter gucken können. „So erhalten die Schulkinder eine ganz klare Vorstellung, was sie in der Ausbildung erwartet“, meint Birgit Becker und hofft, dass dadurch auch das Risiko von Ausbildungsabbrüchen sinkt.

Ganz anders als Schule
Am Ende des Praxistages ist Gabi Bauer mit ihren jungen Teilnehmenden sehr zufrieden. Sie haben sich als Logistiker betätigt, haben Verkaufsgespräche geführt, haben eine Inventur durchgespielt und die Kasse geführt. Nach den vier Tagen gibt es noch Abschlussgespräche mit den Kindern, welcher Beruf ihnen am besten gefallen hat. „Manche Kinder haben dann schon einen ganz konkreten Berufswunsch, andere wissen noch gar nicht, was sie einmal machen wollen“, sagt die Ausbilderin. Dann bietet BRAFO ihnen die Möglichkeit, ein einwöchiges freiwilliges Ferienpraktikum in einem Betrieb zu machen. „Da wir selbst Ausbildungen in unserem Haus anbieten und über das Programm ‚Zukunftschance assistierte Ausbildung‘ auch Azubis aus anderen Betrieben in der Region unterstützen, haben wir von der Tierarztpraxis bis zum Polizeirevier gute Kontakte in der Region, wo die Kinder hineinschnuppern können“, sagt Birgit Becker.

Hier finden Sie weitere interessante Beispiele, wie die Menschen von EU-Fördermitteln aus ELER, EFRE und ESF in Sachsen-Anhalt nachhaltig profitieren.

Weitere Quellen:
Homepage des Landesberufsorientierungsprogramms BRAFO:

Homepage der St. Johannes GmbH

Homepage der BTZ Bildungsgesellschaft Bernburg

Portal „Europa vor Ort in Sachsen-Anhalt“ der Europäischen Kommission