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In Würde altern, wo die Heimat ist

Die Europäische Union unterstützt das Leben auf dem Land – Bedarf an Senioreneinrichtungen nimmt zu

- von Grit Gröbel -

Fachwerkhäuser, der Plausch über den Gartenzaun, das Grün der Wälder und Wiesen ringsumher. Wer mitten im Harz aufgewachsen ist, möchte auch seinen Lebensabend hier verbringen. Das Sprichwort „Alte Bäume verpflanzt man nicht“ scheint hier beheimatet zu sein. Dessen bewusst sind sich auch diejenigen, die in Pflegeberufen arbeiten sowie mit viel Eigeninitiative Begegnungsstätten für Senioren entstehen lassen. So auch in Wasserleben und Neudorf.

Während in Wasserleben Jutta Lindemann eine einstige Kaufhalle bis Ende 2010 zu einer Begegnungsstätte umgebaut hat, in der sie jetzt täglich die Senioren zum Kaffee begrüßt, wird in Neudorf noch emsig gewerkelt. Denn bis zum Sommer entsteht hier ein „Pflegezentrum mit Begegnung“.
Die Förderung der Baumaßnahmen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) haben beide gemeinsam.

Insgesamt unterstützt die Europäische Union Sachsen-Anhalt in der aktuellen Förderperiode mit rund 817 Millionen Euro aus dem ELER. Davon gehen 160.000 Euro nach Neudorf und etwa 110.560 Euro nach Wasserleben für die Seniorenbegegnungs- sowie Pflegezentren. Nicht zuletzt, weil die zunehmende Anzahl an älteren Menschen auch auf dem Lande in Würde leben will und soll.

Die Neudorfer Olga und Thomas Drexler betreiben bereits den Seniorenpark „Waldblick“. Das ehemalige Ferienheim mit Gaststätte wurde zum Teil im Rahmen des Dorferneuerungsprogramm saniert und erweitert. Doch der Bedarf an Altenbetreuung wächst. Das Ehepaar entschloss sich, ein weiteres Objekt in Angriff zu nehmen. „Neben der ständigen Altenpflege ist die Nachfrage nach Tagespflege groß. Im Waldblick würde das unsere Möglichkeiten sprengen. Doch im neuen Pflegezentrum inmitten des Dorfkerns wird es möglich. Am 1. Juni wollen wir eröffnen.“, erzählt Thomas Drexler bei seinem Rundgang auf der Baustelle. Der gesamte Innenausbau ist in vollem Gange. Ehefrau Olga, die als Pflegedienstleiterin tätig ist, unterstützt ihn kräftig. „Oft sind die Älteren allein zuhause. Hier können sie ins Gespräch kommen, die Pflege am Tag nutzen und Angst verlieren. In einem Seniorenheim ist Leben.“, umschreibt sie ihre Motivation für die Arbeit. Der Ortsbürgermeister Harald Heidrich sieht das neue Zentrum als Ergänzung zum Dorfleben. „Die Menschen müssen zusammenhalten. Das heißt aber auch, dass sie zusammenkommen. In unserem Seniorenclub trifft man sich seit Jahren gern. Im neuen Seniorenzentrum wird das ebenso sein.“, betont er. Und dass die Baumaßnahme auch einen Arbeitsmarkteffekt hat, ist allen klar. Im Seniorenpark „Waldblick“ wurden 25 Arbeitsplätze neu geschaffen, im bald fertigen Seniorenzentrum werden es 10 weitere sein. Hinzu kommen die Dienstleistungen, wie Frisör oder Fußpflege. Eine Filial-Arztpraxis ist ebenso geplant, verrieten die Bauherren. Spätestens bei diesen Beispielen wird die Bedeutung der Maßnahme für den gesamten Ort deutlich.

Ebenso bedeutungsvoll für die Ortsentwicklung ist die Begegnungsstätte für die Wasserleber Einwohner. Im „Haus am Park“ trifft sich die Volkssolidarität und auch die Kirchengemeinde lädt ein. Hier feierte Helga erst kürzlich ihren Geburtstag oder schaut eine Bekannte von Inhaberin Jutta zum ersten Mal vorbei. Begleitet wird sie von einer mobilen Pflegerin. Edith, die erste Mieterin der altersgerechten Wohnungen im Haus, erfährt das und will am liebsten gleich Hallo sagen. „Als ich im Januar aus meinem großen Haus hierher zog, war das schon eine Umstellung. Doch jetzt hab ich mich eingelebt.“, sagt die 86-jährige. Das schönste bei allem sei, dass sie hier in ihrem Heimatort bleiben kann, und nicht wegen ihres Alters in eine andere Stadt ziehen muss, wo sie niemanden kennt. Und sich gut zu kennen, scheint Gang und Gebe zu sein. Das hier jeder mit jedem per Du ist, ist dafür der schönste Beweis.

Der ELER trägt in Sachsen-Anhalt mit rund 904 Millionen Euro EU-Mittel - ein Viertel der gesamten dem Land von der EU zugewiesenen Fördergelder - dafür Sorge, dass die Entwicklung des ländlichen Raums sich als integraler Bestandteil der Gesamtpolitik für Beschäftigung und Wachstum vollzieht. Zusammen mit der nationalen Kofinanzierung stehen öffentliche Ausgaben in Höhe von 1,16 Milliarden Euro bereit. Zusätzlich will Sachsen-Anhalt 240 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt beisteuern, so dass das Land rund 1,326 Milliarden Euro für die Entwicklung des ländlichen Raums einsetzen kann.