Belgisches Königspaar zu Besuch in Sachsen-Anhalt
Im Rahmen ihres Besuches in Deutschland weilten I.I.M.M. der König und die Königin der Belgier am 10. Juli 2019 in Sachsen-Anhalt. Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff und Oberbürgermeister Torsten Zugehör begrüßten die Monarchen am Vormittag im Alten Rathaus der Lutherstadt Wittenberg. Hier trug sich das Königspaar in das Gästebuch der Landesregierung und das Goldene Buch der Stadt ein. Anschließend besichtigten König und Königin die Schlosskirche und das Lutherhaus.
Bei seinem Besuch in Sachsen-Anhalt wurde das Königspaar unter anderem vom Ministerpräsidenten der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Oliver Paasch, sowie dem Botschafter Belgiens in Deutschland, S.E. Baron Willem Van de Voorde, und dem deutschen Botschafter in Belgien, Martin Kotthaus, begleitet.
In Dessau-Roßlau wurden die Gäste aus Belgien von Oberbürgermeister Peter Kuras und der Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, Dr. Claudia Perren, willkommen geheißen. Bei einem Rundgang durch das Bauhaus und einer Besichtigung durch die Meisterhäuser gab die Stiftungsdirektorin Erläuterungen zur Geschichte der Einrichtung und der Gebäude. 2019 wird der 100. Jahrestag der Gründung des Bauhauses gefeiert. Den Gründungsort Weimar besuchte das Königspaar am Vortag.
Zum Abschluss des Programms waren der König und die Königin zu Gast im Chemiepark Leuna. Dort wurden sie durch den Geschäftsführer der InfraLeuna GmbH, Dr. Christof Günther, die Bürgermeisterin der Stadt Leuna, Dr. Dietlind Hagenau, sowie durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrates von DOMO Chemicals und Geschäftsführer der DOMO Caproleuna GmbH, Jan De Clerck, begrüßt. Im Besucherzentrum wurden dem Königspaar die Geschichte des Chemieparks und ausgewählte hier hergestellte Produkte vorgestellt. Es schloss sich ein Rundgang durch die 2018 eröffnete Produktionsanlage für hochwertige Polyamid-Kunststoffe der DOMO Caproleuna GmbH an. Das Unternehmen gehört zu den über 30 Firmen in Sachsen-Anhalt mit einer belgischen Beteiligung.
Sachsen-Anhalt und Belgien
Das Königreich Belgien ist einer der zehn wichtigsten Handelspartner Sachsen-Anhalts. 2018 wurden Waren im Wert von 645,2 Millionen Euro in das Königreich exportiert, die Importe aus Belgien erreichten ein Niveau von 967,0 Millionen Euro.
Enge Beziehungen zu Belgien bestehen seit vielen Jahren im Rahmen des EU-Programms INTERREG. Aktuell arbeitet unter Federführung des Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung Sachsen-Anhalt unter anderem die belgische Region Wallonien im Projekt „Smart Chemistry Specialisation Strategy“ (S3Chem) mit. Das Projekt startete im April 2016 und hat eine Laufzeit bis 2021. Im Fokus steht der Leitmarkt für Chemie und Bioökonomie. Ziel ist es, die Umsetzung der regionalen Innovationsstrategien der Partner durch Erfahrungsaustausch und gegenseitiges Lernen voneinander zu verbessern. Durch die intensive Zusammenarbeit können die Partner die strategische Ausrichtung ihrer politische Instrumente verändern, bzw. neue politische Instrumente entwickeln, für eine innovative, wachsende und zukunftsorientierte Chemieindustrie. Jede Region entwickelt Aktionspläne, um konkrete Verbesserungen der politischen Instrumente beschreiben zu können. Die Umsetzung wird in den letzten zwei Jahren der Projektlaufzeit erfolgen.
Zahlreiche Kontakte werden zwischen den Hochschulen beider Länder gepflegt, vorwiegend über das EU-Programm Erasmus+.
Auch im Kulturbereich gibt es beständig Kooperationen. So wird im ersten Halbjahr 2021 die Wanderausstellung „Die Prämonstratenser“ aus Anlass des 900. Ordensjubliäums in der Park-Abtei im belgischen Leuven gezeigt, im Anschluss daran ist die Exposition im Kulturhistorischen Museum Magdeburg zu sehen.
In der Lutherstadt Wittenberg und dem Fläming engagiert sich der Verein Fläming-Flandern e.V. für die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Regionen.
Seit 2005 sind Gräfenhainichen und Zoersel Partnerstädte.
Die Beziehungen zwischen dem heutigen Sachsen-Anhalt und Belgien reichen mehrere Jahrhunderte zurück. Dem Ruf hiesiger Territorial-/Landesherren (Markgraf Albrecht der Bär, Erzbischof Wichmann von Seeburg und andere) folgend, kamen ab dem 12. Jahrhundert in größerer Anzahl bäuerliche Siedler insbesondere aus Flandern und den benachbarten Regionen (Brabant, Seeland) in das Gebiet an Elbe, Saale, Mulde und Unstrut. Die flämischen Siedler waren bereits mit fortschrittlicheren landwirtschaftlichen Methoden (Dreifelderwirtschaft) vertraut und verfügten insbesondere über spezielle Kenntnisse und Erfahrungen in der Melioration und dem Deichbau. Deshalb wurden sie vorzugsweise dort angesiedelt, wo es galt, Niederungen durch Entwässung nutzbar zu machen bzw. vor Hochwasser zu schützen und trockene Böden zu kultivieren. Den Siedlern wurden in sogenannten Ansiedlungsverträgen – von denen für Sachsen-Anhalt acht überliefert sind – erhebliche Vergünstigungen, wie die befristete Befreiung von Abgaben und Diensten und rechtliche Besserstellungen (unter anderem erleichterter Besitzerwerb, Vererbbarkeit von Grund und Boden, gewisse Selbstverwaltungsrechte), gewährt. Diese Kolonisationsbewegung wird heute mit dem Begriff des mittelalterlichen Landesausbaus charakterisiert. Dass der Name „Fläming“, obschon sich dieser erst im 19. Jahrhundert allgemein durchsetzte, auf eine Besiedlung dieses eiszeitlichen Höhenzugs durch Flamen zurückgeht, ist durch schriftliche Quellen, Ortsnamen und die in Flurnamen enthaltenen sprachlichen Bezüge belegt.
Während der Zeit des sogen. Reisekönigtums (bis zum Ende des Spätmittelalters von wechselnden Orten aus erfolgt Herrschaftausübung) wurden einige im Landesarchiv Sachsen-Anhalt überlieferte Urkunden für Empfänger im heutigen Sachsen-Anhalt in belgischen Orten, insbesondere in Brüssel, ausgestellt bzw. wurden in Orten im heutigen Sachsen-Anhalt ausgestellt und betreffen heute belgisches Gebiet.
In einem Brief von Martin Luther an Spalatin vom 27. März 1525, der im Landesarchiv verwahrt wird, erwähnte der Reformator einen „Propheten aus Antwerpen“. Er meinte damit das Oberhaupt der Sekte der „Loyisten“, den Schieferdecker Eloy Pruystinck, der mit einigen seiner Anhänger aus Antwerpen nach Wittenberg gekommen war, um eine Autorisierung seiner Auffassungen durch Luther zu erwirken. Bald nach der mit Pruystinck gehaltenen Disputation verfasste Luther sein „Sendschreiben an die Christen zu Antwerpen“ (1525), in dem er die Gemeinde in Antwerpen vor dem von ihm als „Schwärmer“ charakterisierten Pruystinck warnt.
Bald nach Erlangung seiner Unabhängigkeit im Jahr 1830 nahm das Königreich Belgien zu den anhaltischen Herzogtümern Bernburg, Dessau und Köthen diplomatische Beziehungen auf. Seit den 1840er Jahren waren die jeweiligen Königlich Belgischen Gesandten am preußischen Hof in Berlin auch regelmäßig in Anhalt akkreditiert. Es erfolgte der Abschluss mehrerer Staatsverträge, so 1841/42 von Freizügigkeits- und Abzugskonventionen und 1846 von Auslieferungs- und Rückführungsverträgen.
Bereits seit dem 13. Jahrhundert sind Magdeburger Kaufleute in Flandern, später auch am Kontor der Hanse in Brügge nachweisbar. Sie erwarben dort „feine Laken“ für den Gewandschnitt und handelten mit Lederwaren, gröberem Tuch sowie v.a. mit Getreide aus der Magdeburger Börde. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstand erneut eine intensivere wirtschaftliche Verbindung zwischen Belgien und den zu Sachsen-Anhalt gehörenden Territorien, die auch einen „Technologietransfer“ einschloss. Dies illustrieren Berichte über Reisen von Bergbeamten in belgische Steinkohlendistrikte, die im Archivbestand des Oberbergamtes Halle überliefert sind. Das besondere Interesse galt dabei den im Bergbau und bei der Verhüttung eingesetzten innovativen Maschinenanlagen, darunter den bei der Zinkgewinnung verwendeten „Lütticher Ofen“, von dem 1854 Handzeichnungen (als Grundlage für einen Nachbau) gefertigt wurden. Anhalt-Bernburg ernannte 1862 den Direktor der See- und Brandversicherungs-Compagnie Minerva, Henri van Bomberghen, zum Konsul in Antwerpen. Er sollte das anhaltische Herzogtum bei der Ausweitung von Handelsbeziehungen, insbesondere jedoch der Erschließung eines Absatzmarktes für das Salzbergwerk Leopoldshall (heute Ortsteil von Staßfurt), unterstützen.
Auch für die DDR-Zeit finden sich Belege für wirtschaftliche Kontakte zwischen Belgien und den DDR-Bezirken Halle und Magdeburg, die erst ab den 1960er Jahren intensiviert wurden. So lieferte das Kombinat SKL Magdeburg für mehr als zwei Jahrzehnte Dieselmotoren als Antrieb von Binnenschiffen und Fischereifahrzeugen an eine Antwerpener Firma.