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Wo geht es hier nach Pömmelte?

Der Himmelsweg eines kleinen Ortes in Sachsen-Anhalt

(von Bianca Kahl)

 

„Das 4000-jährige Pömmelte grüßt das 1050 Jahre alte Barby!“, sagt Thomas Warnecke scherzhaft und heißt Jens Strube am Ringheiligtum von Pömmelte in der Nähe von Schönebeck (Elbe) willkommen. Jens Strube, Bürgermeister der Einheitsgemeinde Barby, war zuletzt im Juni hier – als der Landrat Markus Bauer zur feierlichen Eröffnung einlud. 400 Besucher kamen. Ministerpräsident Reiner Haseloff, Staatssekretär Gunnar Schellenberger und Landesarchäologe Harald Meller gaben sich die Hand. Die kostümierten Mädchen von der kleinen „Tanzfactory Egeln“ zeigten ihren selbst ausgedachten Steinzeittanz.

Zeitungen in ganz Deutschland schreiben über das mehr als 4000 Jahre alte, steinzeitliche Heiligtum, das auf einer Höhe mit dem englischen Stonehenge stehen soll. Das Bauwerk aus Holz wurde wiedererrichtet, um der Öffentlichkeit zu zeigen, wie die Menschen in Mitteleuropa einst lebten. „So mutig, wie man das Ringheiligtum gestaltet hat! Diese tollen Farben und die Symbole: Das kann man ja alles nur vermuten“, schwärmt Frank Löbig, der wissenschaftliche Mitarbeiter des Salzlandmuseums in Schönebeck. Dort hat er im September eine begleitende Dauerausstellung zum Ringheiligtum eingerichtet. 1500 Interessierte haben sie schon besucht. Am Ringheiligtum selbst waren bereits über 5000 Besucher, viele aus dem Ausland.

Die wiedererrichtete Kreisgrabenanlage ist die neueste Station der beliebten archäologischen Tourismusroute „Himmelswege“ in Sachsen-Anhalt. Der Salzlandkreis hat jetzt eine touristische Attraktion, umgeben von Maisfeldern. Nebenan der Fliegerclub Schönebeck e.V., der seine Landebahn hatte verlegen müssen. Dafür bietet er jetzt Rundflüge über das Heiligtum mit dem Segelflieger an.

Ganz in der Nähe stehen einzelne Häuser. Das ist Zackmünde. Wer hier die Abfahrt zum Himmelsweg verpasst, landet vielleicht vier Kilometer weiter im Ort Pömmelte, nach dem die neue Attraktion benannt ist: einer von zehn Ortsteilen der Einheitsgemeinde Stadt Barby. Es soll schon vorgekommen sein, dass auch die Einwohner, von den Fremden um Hilfe gebeten, den Himmelsweg nicht kannten. Pömmelte hat 644 von ihnen, zwei kleine Pensionen, einen Kindergarten, ein Gemeindehaus am Goldfischteich. Die letzte Gaststätte hat vor drei Jahren dichtgemacht.

Der ehrenamtliche Bürgermeister hieß bis 2010 Thomas Warnecke. Dann wurde Pömmelte zum Ortsteil der Einheitsgemeinde Barby und Warnecke zum ehrenamtlichen Ortsbürgermeister. „Das Wichtigste und politisch Entscheidendste von meinen Aufgaben sind jetzt die Geburtstage, an denen ich die Bürger besuche“, stellt er nüchtern fest. Das Treiben rund um die steinzeitliche Kreisgrabenanlage verfolgt er schon seit 2005. „Das ist eine tolle Sache, dafür können wir berühmt werden!“ Was er auch begrüßt: Aufgrund des öffentlichen Interesses wurde ganz nebenbei in der Nachbarschaft eine Hähnchenmastanlage verhindert. „Wir mussten nicht mal eine Bürgerinitiative gründen, so wie früher, als eine Schweinemast kommen sollte“, erzählt er und muss schmunzeln über diese ganz eigene Form von himmlischen Einflüssen.

 

Jetzt gibt es hier ein hölzernes Heiligtum, wo von April bis Oktober mittwochs, freitags und an den Wochenenden Fremdenführer für spontane Rundgänge bereitstehen – Bürger aus der Region, ausgebildet vom Salzlandmuseum. Eine von ihnen ist Alexandra Schröpel aus Pömmelte. Thomas Warnecke umarmt sie zur Begrüßung. Für heute haben sich gleich zwei Gruppen angemeldet. Bürgermeister Jens Strube, der sich auch privat für das Projekt interessiert, will sich ebenfalls den aktuellen Stand anschauen. Er liest sich gemeinsam mit Warnecke die Erklärungen durch, die in die neuen runden Betonplatten geprägt wurden, steigt auf den Aussichtsturm und schaut gedankenverloren in die Ferne.

Die Rekonstruktion der Kreisgrabenanlage hat den Salzlandkreis rund 600.000 Euro gekostet und wurde dank der Lokalen Aktionsgruppe Elbe-Saale mit fast 340.000 Euro aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für regionale Entwicklung (ELER) gefördert. Zusätzlich unterstützen das Land Sachsen-Anhalt und gemeinnützige Stiftungen den Ausbau der Infrastruktur drum herum wie den Parkplatz, die Zufahrt, einen neuen Radweg, die Verlegung der Landebahn, die Aussichtplattform und das touristische Leitsystem.

„Wir als Einheitsgemeinde Stadt Barby konnten keinen einzigen Cent zusteuern“, resümiert Jens Strube ernüchtert. Wie in vielen anderen Kommunen ist auch in Barby kein finanzieller Spielraum für freiwillige Aufgaben".

Zu Füßen des Aussichtsturms sammelt sich eine Hand voll Geflüchteter, die sich im Rahmen ihrer Bildungskurse ausdrücklich auch einen Besuch in Pömmelte gewünscht haben und interessiert den Ausführungen der Dolmetscherin lauschen. Ein Stück entfernt steht Alexandra Schröpel mit ihrer bunt zusammengewürfelten Gruppe aus Deutschen und Franzosen, Kinder sind auch dabei.

Alexandra Schröpel ist freie Lektorin und der Liebe wegen vom thüringischen Jena in das beschauliche Pömmelte gezogen, wo sie seit sechs Jahren lebt und arbeitet. Den Baubeginn am Heiligtum im Jahr 2014 und die vorangegangenen Planungen hat sie schon miterlebt. Über ihrem rechten Arm hängt ein Weidenkorb mit Feuerstein und anderen Gegenständen, die den Besuchern die Steinzeit und die Bronzezeit besser veranschaulichen sollen. Dass das Ringheiligtum wiedererrichtet worden ist, begrüßt sie sehr und engagiert sich auch entsprechend dafür. „In Südthüringen wird jedes Taschentuch ausgestellt, das Goethe oder Schiller mal in der Hand hatte, aber hier in Sachsen-Anhalt fehlt scheinbar jedes Bewusstsein für die eigenen Attraktionen“, sagt sie.

Die Freiberuflerin versteht nicht, dass die Bevölkerung noch so wenig Stolz zeigt für ihre Umgebung. „Wenn wir selbst nicht auf die Geschichtsträchtigkeit verweisen, wie soll dann die Öffentlichkeit erfahren, dass es hier nicht nur Ackerbau gibt?“ Pömmelte muss sich also, genau wie die anderen Orte der Region, noch selbst finden. Ein ganz persönlicher Himmelsweg sozusagen. Von außen jedenfalls sei das Interesse groß. Sie sehe immer Autos auf dem neuen Parkplatz vor dem Ringheiligtum, wenn sie mit ihrem Hund gemütlich durch die Felder spazieren geht. Zu ihren Führungen kommen bis zu 30 Personen.

Auch Jens Strube und Thomas Warnecke sind der Ansicht, dass immer mehr Touristen in die Gegend kommen. „Ich schätze, dass in den Sommermonaten jeden Tag zehn bis 20 Paare auf dem Fahrrad durch den Ort fahren“, hat Warnecke beobachtet. Kein Wunder: Es hat sich herumgesprochen, dass es hier etwas zu sehen gib, lange vor der Eröffnung des Ringheiligtums. Schönebeck mit seinem neu gestalteten Markt, den Salinehäusern und dem als ältestes Soleheilbad bekannten Stadtteil Bad Salzelmen, ist durchaus einen Besuch wert. Barby lockt mit seiner landschaftlich schönen Lage im Elb-Saale-Winkel an Elberadweg und Saaleradweg, mit mittelalterlicher Stadtmauer, Schloss und Seepark.

Eine schöne Gegend für Radfahrer. Einen Platz für eine Rast und eine gute Bewirtung findet man in Pömmelte allerdings noch nicht. Nicht einmal eine Verkaufsstelle für Lebensmittel gibt es zurzeit. Dafür sorgen das nahegelegene Kieswerk und Speditionen dafür, dass hier täglich rund 600 Lkw durchfahren. Bei der Ausschilderung zum Ringheiligtum musste erst improvisiert werden. Zur Eröffnung hatte das Salzlandmuseum kurzfristig Ausdrucke im A3-Format laminiert und an den Straßen angebracht. Später waren es Holzlatten, die den Weg wiesen.

Es geht eben nur langsam voran in Pömmelte, auf dem langen Weg in den Himmel, doch es passiert etwas. Auch ein Langhaus mit Toiletten ist am Heiligtum geplant. Eventuell soll in der Nähe sogar noch eine zweite Kreisgrabenanlage wiedererrichtet werden. Warnecke und Strube sind jedenfalls guter Dinge, wenn sie an Pömmelte denken.

Alexandra Schröpel steht inzwischen mit ihrer Gästegruppe im Zentrum der Kreise und klatscht in die Hände, um den Widerhall zu demonstrieren: ein Flatterecho. Diese besondere Akustik begründet auch viele musikalische Veranstaltungen, die das Salzlandmuseum hier fortan plant. Die Führung neigt sich dem Ende und die Besucher klatschen zurück – sie zollen Beifall.