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Für einen guten Start ins Leben

Mo­ni­que Stol­te ist eine von 400 Schul­so­zi­al­ar­bei­tern im Land

Von Bi­an­ca Kahl

Die Klas­se ist ein wenig un­ru­hig. Mo­ni­que Stol­te nimmt ein klei­nes Gum­mi­sch­wein in die Hand und drückt sei­nen Bauch: Es ist eine quiet­schen­de Hupe. Die Kin­der hor­chen auf. Dann geht die Schul­so­zi­al­ar­bei­te­rin mit einer Schatz­kis­te durch die drei Stuhl­rei­hen und jedes Kind darf sich ein Bon­bon neh­men. Mo­ment! Noch nicht auf­es­sen! Die Far­ben der Bon­bons zei­gen die neuen Teams an. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler müs­sen ihren Platz neben ihren Freun­den und Be­kann­ten ver­las­sen und mi­schen sich zu drei Grup­pen. "Rot", "Oran­ge" und "Gelb" setzt sich je­weils hin­ter­ein­an­der in eine Reihe. Jetzt dür­fen alle auch ihr Bon­bon ver­na­schen.



Ken­nen­lern­tag er­leich­tert den Neu­start

Die 25 Mäd­chen und Jun­gen der neuen Klas­se 5/5 sind erst seit kur­zem an der In­te­grier­ten Ge­samt­schu­le "Re­gi­ne Hil­de­brandt" (IGS) in Mag­de­burg. Sie kom­men von drei ver­schie­de­nen Grund­schu­len, bil­den nun eine von sie­ben neuen Klas­sen. Alles ist an­ders. Neuer Ort, neue Leute, neue Ab­läu­fe, neue Re­geln. Sie müs­sen sich erst wie­der zu­recht­fin­den und ge­gen­sei­tig ken­nen ler­nen. "Das würde si­cher auch ohne den heu­ti­gen The­men­tag ir­gend­wie funk­tio­nie­ren", sagt ihr Klas­sen­lei­ter An­dre­as Vopel. "Aber dies alles er­leich­tert uns den An­fang schon enorm. Das ist eine tolle Sache.

"Herr Vopel hält sich heute näm­lich aus­nahms­wei­se im Hin­ter­grund. Die So­zi­al­ar­bei­te­rin Mo­ni­que Stol­te und ihr Kol­le­ge Cars­ten Krau­se haben das Zep­ter über­nom­men. Ihre Ar­beit ist Teil des Lan­des­pro­gramms "Schul­erfolg si­chern". Die­ses will allen Kin­dern und Ju­gend­li­chen den glei­chen Zu­gang zu Bil­dung er­mög­li­chen. Mob­bing und Aus­gren­zung sol­len vor­ge­beugt wer­den, Schul­bum­me­lei be­kämpft und die So­zi­al­kom­pe­ten­zen ge­stärkt wer­den. Des­halb stellt das Land den Kin­dern seit 2008 Ver­trau­ens­per­so­nen an die Seite, die sich um alle Pro­ble­me und Be­dürf­nis­se au­ßer­halb von Lehr­plan und Schul­no­ten küm­mern. 400 Schul­so­zi­al­ar­bei­te­rin­nen und Schul­so­zi­al­ar­bei­ter ar­bei­ten in Sachsen-​Anhalt - an allen Schul­for­men. Al­lein das Pro­jekt an der IGS "Re­gi­ne Hil­de­brandt" lässt sich das Land von 2015 bis 2018 knapp 340.000 Euro kos­ten. Rund 270.000 Euro davon wer­den aus dem Eu­ro­päi­schen So­zi­al­fonds (ESF) ge­för­dert. Im Zeit­raum von 2014 - 2020 ste­hen ins­ge­samt etwa 119 Mio. Euro für das Pro­gramm "Schul­erfolg si­chern" be­reit, wobei der Bei­trag des ESF rund 95 Mio. Euro aus­macht.

 

Tag­täg­lich klop­fen Kon­flik­te an die Tür

Mo­ni­que Stol­te und Cars­ten Krau­se sind ge­mein­sam für alle 1100 Schü­le­rin­nen und Schü­ler an der IGS ver­ant­wort­lich. Au­ßer­dem die­nen sie als An­sprech­part­ner für die El­tern sowie für die Leh­re­rin­nen und Leh­rer. "Da sind wir im Grun­de schon mit den in­di­vi­du­el­len All­tags­pro­ble­men und grö­ße­ren Kon­flik­ten aus­ge­las­tet, die täg­lich an un­se­re Tür klop­fen", er­zählt Mo­ni­que Stol­te. Oft muss die So­zi­al­päd­ago­gin ein­fach nur da sein, zu­hö­ren, Zeit haben. Etwas, das Lehr­kräf­te meist gar nicht leis­ten kön­nen. Zudem haben viele Kin­der und Ju­gend­li­che Hem­mun­gen, mit pri­va­ten Sor­gen auf ihre Leh­re­rin oder ihren Leh­rer zu­zu­ge­hen. Denn diese be­wer­ten sie ja viel­leicht schon in der nächs­ten Un­ter­richts­stun­de wie­der mit einer Note.

Die Grund­la­ge für die Ar­beit von Mo­ni­que Stol­te und ihrem Kol­le­gen ist vor allem Ver­trau­en. "Des­halb ist es auch schön, wenn wir uns an solch einem Ken­nen­lern­tag wie heute mal allen neuen Schü­le­rin­nen und Schü­lern wid­men kön­nen", fin­det Mo­ni­que Stol­te. "Das ist eine gute Ge­le­gen­heit, um uns als Per­son vor­zu­stel­len und eine erste Ver­trau­ens­ba­sis her­zu­stel­len. Dann fällt es den Kin­dern auch leich­ter, uns an­zu­spre­chen, wenn sie etwas be­drückt."

 

 Es geht nicht nur um den ei­ge­nen Er­folg

Das Spiel in der Klas­se 5/5 ist in vol­lem Gange. Jedes Team sitzt in einer Stuhl­rei­he hin­ter­ein­an­der. Die drei Kin­der, die je­weils ganz hin­ten sit­zen, müs­sen eines von meh­re­ren ver­ein­bar­ten Sym­bo­len mit dem Fin­ger auf den Rü­cken des Kin­des vor ihnen malen. Die­ses malt das Sym­bol dann wie­der auf den nächs­ten Rü­cken und so wei­ter. Eine Art "Stil­le Post" mit Zei­chen­spra­che. Am Ende zeigt sich bei den drei Kin­dern ganz vorne, wie gut das Team zu­sam­men­ar­bei­tet: Wurde das rich­ti­ge Sym­bol über­mit­telt? Nach elf Run­den und vie­len Malen Plät­ze­wech­seln ge­winnt Team Rot mit vier Punk­ten Vor­sprung. Alle ap­plau­die­ren.Es geht nicht nur darum, zu ge­win­nen. Es geht darum, fair zu sein und gut zu­sam­men zu ar­bei­ten. Wenn einer nicht mit­zieht oder aus­ge­schlos­sen wird, ver­liert die ganze Grup­pe. Jedes Kind be­fin­det sich mal ganz vorn und mal ganz hin­ten. Das be­rührt an­de­re wich­ti­ge The­men für heute: In­di­vi­dua­li­tät, Mob­bing und Aus­gren­zung. Mo­ni­que Stol­te weiß, dass es gut für die ganze Klas­se ist, wenn man dem vor­beugt oder bei ers­ten An­zei­chen gleich eine Lö­sung fin­det.

"In mei­ner Aus­bil­dung habe ich gar nicht wirk­lich ge­lernt, wie ich damit um­ge­he", gibt der Klas­sen­leh­rer Herr Vopel un­um­wun­den zu. Streit schlich­ten, Schwie­rig­kei­ten beim Ler­nen und Kon­zen­trie­ren, Schu­le schwän­zen, Pro­ble­me im El­tern­haus - alles The­men, die im Büro von Mo­ni­que Stol­te und Cars­ten Krau­se ge­klärt wer­den. Ihr Ar­beit­ge­ber ist der Deut­sche Fa­mi­li­en­ver­band, doch das Büro be­fin­det sich di­rekt in der Schu­le. Sie ar­bei­ten Hand in Hand mit den Lehr­kräf­ten, ver­mit­teln auch mal zwi­schen ihnen und den Kin­dern. Au­ßer­dem funk­tio­nie­ren sie wie eine Art Schnitt­stel­le zur Ju­gend­hil­fe. "Schul­so­zi­al­ar­beit wird immer wich­ti­ger", ist sich Mo­ni­que Stol­te si­cher, denn die ge­ne­rel­len Pro­ble­me in der Ge­sell­schaft wer­den auch in die Schu­len ge­tra­gen.

 



Spiel wird zur lehr­rei­chen Übung

Die Klas­se 5/5 fin­det sich jetzt im Kreis zu­sam­men und wer­tet ge­mein­sam aus, was den Kin­dern ge­fal­len hat und was nicht so gut lief. Was braucht man für er­folg­rei­che Team­ar­beit? Die Kin­der tra­gen zu­sam­men: "keine Be­lei­di­gun­gen", "kein Streit", "lo­cker blei­ben, wenn je­mand mal einen Feh­ler macht". Die Aus­wer­tung macht das Spiel zur lehr­rei­chen Übung. Ein Kind mel­det sich und sagt: "Wenn ich einen im Team nicht mag, muss ich nicht gleich sagen, dass ich nicht mehr mit­ma­che. Alle müs­sen zu­sam­men­ar­bei­ten." Das klingt nach einem guten Start ins Schul­jahr. Mo­ni­que Stol­te und ihr Kol­le­ge sind zu­frie­den.Dann heißt es lang­sam Ab­schied neh­men. Am liebs­ten wür­den die bei­den die Klas­sen re­gel­mä­ßig so in­ten­siv be­treu­en wie heute, um nie­man­den aus den Augen zu ver­lie­ren. Um Pro­ble­men viel­leicht sogar schon zu be­geg­nen, bevor sie über­haupt ent­ste­hen. Doch das kön­nen sie zu zweit bei so vie­len Schü­le­rin­nen und Schü­lern nicht leis­ten. Hinzu kommt ein hoher Zeit­auf­wand für Bü­ro­kra­tie. Sie ver­su­chen, die Kon­tak­te zu den Kin­dern zu fes­ti­gen - über Jungen-​ und Mäd­chen­camps in den Som­mer­fe­ri­en, Aus­flü­gen zum Thema Be­rufs­wahl, die Be­treu­ung des Schü­ler­ra­tes oder ge­le­gent­li­che Krea­tiv­an­ge­bo­te. Denn die bei­den sind über­zeugt: Es ist ihre Ar­beit, die das Schul­le­ben ein biss­chen bun­ter und mensch­li­cher ma­chen kann.