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Örtliches Teilhabemanagement

EU-Mittel bringen die Inklusion in Sachsen-Anhalt voran

(Von Alexander Lorber, 12.03.2020)

„Die größte Barriere bei der Inklusion ist oft nicht die finanzielle oder bauliche Machbarkeit, sondern die Skepsis in den Köpfen“, weiß Robert Richard, Referatsleiter für Menschen mit Behinderungen im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt. „Wenn es gelingt, den Leuten diese Skepsis zu nehmen, ist der Rest ein Kinderspiel“, sagt Richard. Aber dafür müssen alle Teile der Gesellschaft an einem Strang ziehen. Deswegen fördert das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration den Aufbau eines Örtlichen Teilhabemanagements mit aktuell rund 6,5 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und 1,6 Millionen Euro aus Landesmitteln. An der Umsetzung ist auch Franziska Siemke beteiligt. Als Örtliche Teilhabemanagerin ist sie in Köthen (Anhalt) im Landkreis Anhalt-Bitterfeld aktiv und setzt bei ihrer Arbeit vor allem auf Koordinierung: „Indem wir alle Akteure einbinden, lassen sich viele Hindernisse beseitigen, die Menschen mit Beeinträchtigungen aus dem gesellschaftlichen Leben ausgrenzen.“

Netzwerken auf kommunaler Ebene
Eine der Hauptaufgaben von Franziska Siemke ist der Aufbau eines Netzwerks. Sie sucht den Dialog mit Akteuren vor Ort, um über Inklusion zu sprechen. Mit Verwaltungen, Vereinsvorsitzenden, Schulleitern und Sozialverbänden: „Ich ermutige die Behörden, Unternehmen, Schulen, Kindergärten und Vereine im Landkreis, sich für die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen am gesellschaftlichen Leben auf kommunaler Ebene einzusetzen“, erklärt Siemke. Oft sei der Wille da, sich für inklusive Angebote einzusetzen. „Aber wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen umzusetzen, fehlt den Akteuren häufig die nötige Erfahrung, was Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen eigentlich brauchen.“ Dann hilft Siemke ihnen, ein Gespür für vorhandene Hürden zu entwickeln und wie diese sich entfernen lassen.

Inklusiv gedacht und gemacht
Ein ganz wichtiger Aspekt ist zuerst die Überwindung von baulichen Barrieren: „In vielen Gebäuden wird heute bereits an die Schaffung barrierefreier Zugänge durch den Bau von Rampen und Aufzügen gedacht“, lobt Robert Richard. Aber zur Inklusion gehört noch mehr. Deshalb schärft Franziska Siemke den Blick der Akteure vor Ort auch dafür, weitere Barrieren zu erkennen: „Natürlich denken die meisten beim Stichwort Inklusion erstmal an Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Aber auch Personen mit Hör- und Sehschwächen sowie Menschen mit seelischen oder geistigen Beeinträchtigungen sind im Alltag oft benachteiligt.“ Dazu berät sie ihren Landkreis zum Beispiel auch, wie er seinen Internetauftritt gemäß dem Aktionsplan des Landkreises für Menschen mit diversen Beeinträchtigungen optimieren könnte, um ihnen einen selbstbestimmten Informationszugang zu ermöglichen. Etwa durch Formulare in einfacher Sprache, einstellbare Schriftgrößen und durch die Vermittlung von Informationen in Gebärdensprache.

ESF-Mittel fördern die Personalkosten
Die Arbeit der Örtlichen Teilhabemanagerinnen und Teilhabemanager ist Gegenstand des Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Sachsen-Anhalt. Alle Kommunen in Sachsen-Anhalt konnten die Einstellung von Örtlichen Teilhabemanagern oder Teilhabemanagerinnen wie Franziska Siemke beantragen. Robert Richard: „Die Kommunen mussten lediglich einen entsprechenden Antrag beim Land einreichen, den wir in der Regel auch bewilligt haben.“ Dann konnte die Kommune eine Stelle ausschreiben. Die Kosten für die kommunale Stelle werden aus dem ESF und vom Land gefördert. „Derzeit bereiten wir die Fortsetzung dieses erfolgreichen Programms vor und hoffen, dass dies Gegenstand der kommenden ESF-Förderperiode wird. Wer sich als Örtliche Teilhabemanagerin oder Teilhabemanager bewerben will, sollte neben Empathie vor allem Kenntnisse in der Behindertenarbeit, der Behindertenpolitik und aus der Sozialen Arbeit mitbringen“, erklärt Robert Richard. „Auch Erfahrungen in der Pflege oder mit der sonderschulischen Bildung sind hilfreich.“

Eine vielfältige Tätigkeit
Franziska Siemke ist seit Sommer 2017 als Örtliche Teilhabemanagerin beim Landkreis Anhalt-Bitterfeld beschäftigt. Sie hat Gesundheits- und Pflegewissenschaften studiert und war als Pflegedienstleitung in einem Krankenhaus in Magdeburg tätig. Man merkt ihr an, dass ihr der Job Spaß macht: „Meine Arbeit erfüllt mich, weil ich sie gerne mache und ich den Betroffenen dadurch helfen kann.“ Denn jeder Verein, jedes Rathaus, jede Firma und jede Schule stärkt durch das Engagement in entsprechende Angebote den Aufbau eines inklusiven Sozialraums im Land. Franziska Siemke freut sich, dass viele Gemeinden in ihrem Landkreis auf Anregung freiwillig ein eigenes Örtliches Teilhabemanagement eingerichtet haben: „Fünf von zehn Gemeinden haben sich direkt beworben und eigene Teilhabemanagerinnen und -manager eingestellt.“ Seitdem hat sich die Koordinierungsarbeit auf kommunaler Ebene spürbar intensiviert. „Wir tauschen uns regelmäßig aus, was gut funktioniert, wo es noch Probleme gibt und wir koordinieren gemeinsame Projekte“, berichtet Siemke. Schließlich stehen die Gemeinden bei der Inklusion nicht im Wettbewerb zueinander, sondern wollen positive Erfahrungen untereinander austauschen und Synergien erzeugen.

Das Programm hat sich bewährt
Robert Richard ist froh, dass sich das Örtliche Teilhabemanagement in Sachsen-Anhalt so gut entwickelt. Das ganze Projekt ist für ihn eine Herzensangelegenheit: „Wir haben schließlich nicht nur den Namen des Programms erfunden, sondern sind auch die Einzigen, die das mithilfe des Europäischen Sozialfonds zur Unterstützung der Kommunen machen“, betont Richard. Weil genügend ESF-Mittel zur Verfügung standen, konnte das Örtliche Teilhabemanagement von den Landkreisen auch auf die Städte und Gemeinden ausgeweitet werden. „Aus meiner Sicht ist es für das Gelingen der UN-Behindertenrechtskonvention elementar wichtig, dass wir inklusive Angebote auch auf der kommunalen Ebene fördern.“ Dass sich das Programm mittlerweile in allen Landkreisen und kreisfreien Städten von Sachsen-Anhalt etabliert hat, freut Robert Richard besonders. Und auch Franziska Siemke hat noch viele Pläne: „Wir würden gerne die gesamte Verwaltung inklusiv aufstellen. Darüber hinaus setzt sich der vom Kreistag beschlossene Aktionsplan des Landkreises für mehr inklusive Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft ein. Hier gibt es noch viel Potential, um stärkere Anreize für die Unternehmen zu schaffen und für Verständnis zu werben.“

Hier finden Sie weitere interessante Beispiele, wie die Menschen von EU-Fördermitteln aus ELER, EFRE und ESF in Sachsen-Anhalt nachhaltig profitieren.

Weitere Quellen:
Informationen über das Operationelle Programm für den Europäischen Sozialfonds des Landes Sachsen-Anhalt

Örtliches Teilhabemanagement im Landkreis Anhalt-Bitterfeld:
http://www.anhalt-bitterfeld.de/de/teilhabemanagement.html

Portal „Europa vor Ort in Sachsen-Anhalt“ der Europäischen Kommission