Menu
menu

Die Förderagenten

Zwei Geographen gestalten die Altmark mit und holen dabei Geld ins Land

(von Bianca Kahl - 13.04.2017)

Die Altmark hat viel zu bieten, doch sie arbeitet noch an ihrem Ruf. Zwei professionelle Entwickler arbeiten mit: Sibylle Paetow und Björn Gäde sind so etwas wie wirtschaftliche Geburtshelfer. Sie entwerfen Konzepte, erarbeiten Strategien, stoßen Modellvorhaben an und beraten Akteure in der Region. Sie vernetzen, moderieren und manchmal steuern sie auch ein bisschen nach. Vor allen Dingen aber wissen sie, welche Fördermöglichkeiten es gibt und wie man an das Geld kommt. Unter dem Namen "LandLeute – Agentur für Regionalentwicklung" führen sie ein Büro im Stendaler Technologiepark.
 
"Ich glaube, selbst mein Mann kann nicht genau erklären, was ich beruflich mache", sagt Sibylle Paetow und lacht. Der Beruf der Tangermünderin ist etwas komplizierter zu beschreiben als andere. Gerade besucht sie mit ihrem Kollegen Björn Gäde eine Klientin. Der Reiterhof Albrecht will seine Außenanlagen fit machen für den Klimawandel. Seit 1990 besitzt das Ehepaar Albrecht den malerischen Vierseithof im kleinen Dorf Buch an der Elbe, einem Ortsteil der Stadt Tangermünde. Über die Jahre hat die Familie dort eine Pferdepension eingerichtet, mit Ferienwohnungen, Reithalle, Stall und Streichelgehege. Schon mehrfach konnten Steffi Albrecht und ihr Mann von Förderungen profitieren.
Das laue Frühlingswetter erlaubt, dass die LandLeute gemeinsam mit der Hausherrin im Freien sitzen können. Steffi Albrecht erläutert ihre neuen Ideen. Sie möchte auf den Reitplätzen gern eine Beregnungsanlage installieren. Die beiden Fachleute beraten mit ihr, wie das in die Förderprogramme passt.

21 Millionen Euro für die Altmark

"Ich weiß noch, als hier 2009 die Pension erweitert wurde. Das war unser erster Zuwendungsbescheid mit LEADER", erinnert sich Björn Gäde. Insgesamt haben die LandLeute mehr als 280 Projekte in der Altmark begleitet und dabei rund 21 Millionen Euro in die Region geholt. Die Projekte sind unter anderen Teil der Bundesmodellvorhaben „Regionen Aktiv“ und „Land(auf)Schwung“ sowie des EU-Förderansatzes LEADER. Allein aus diesem Programm wurden 112 Projekte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund sechs Millionen Euro gefördert. LEADER finanziert sich aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und unterstützt innovative Vorhaben. Wörtlich übersetzt bedeutet es "Verbindungen zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft".
"In der Altmark wird vor allem in den Tourismus investiert", zieht Gäde Bilanz. Dafür können die LandLeute viele Beispiele aufzählen: Von den Bismarckschen Gutshäusern über Radlerpensionen und die künstlerische Gestaltung der Hoffnungsfenster in der Kirche von Schönwalde bis hin zum Wuster Muuuhseum rund um das Thema Kuh.  Die beiden haben einen guten Überblick, was in der Gegend geschieht. "Es ist schön, zu sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Und es kommen immer wieder neue, tolle Ideen dazu. Auch durch Menschen, die zuziehen", findet Sibylle Paetow. "Wir bemühen uns auch stets, die einzelnen Macher miteinander zu vernetzen." "Wissenstransfer" nennt die 49-Jährige diesen Teil ihrer Arbeit. "Denn die Frage ist ja: Was können wir gemeinsam erreichen?"

Mit dem arbeiten, was da ist

Tourismus braucht nicht nur Macher vor Ort, Tourismus braucht ebenso eine gute Infrastruktur, Werbung und andere Veröffentlichungen. Auch darüber haben die LandLeute den Überblick und helfen an der einen oder anderen Stelle mit eigenen Ideen und Konzepten nach. Ein wichtiges, verbindendes Element in der Region ist der 500 Kilometer lange Altmark-Rundkurs. Den radeln dann Sibylle Paetow und Björn Gäde auch mal ab und drehen einen Film darüber, was bereits alles geschafft ist in der Altmark.
Die beiden arbeiten mit dem, was da ist: Über die Image-Kampagne, die die Altmark zur "Grünen Wiese mit Zukunft" macht, könne man streiten und jammern, sagen sie – wenn man denn streiten und jammern will. Doch sie nutzen die Kampagne lieber, kümmern sich um das Regionalmarketing, suchen Synergie-Effekte, betreuen Veranstaltungen und überlegen sich passende Aktionen.
Man könnte meinen, sie seien Fachleute für Öffentlichkeitsarbeit. Doch die LandLeute haben beide Geographie studiert. Sie in Münster, er an der Universität in Potsdam mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Sozialgeographie. Diese Berufsausbildung sei keineswegs ein Widerspruch zu ihrer Arbeit: "Unser Fach bedeutet ja im Grunde die Kernkompetenz, mit Raum umzugehen – und allem, was drin ist im Raum. Egal, ob das Berge, Flüsse oder Menschen sind", erklärt der 39-Jährige. Und seine Kollegin ergänzt: "Wir fragen uns: Wie kann man eine Region entwickeln? Wie erfolgt Wertschöpfung, wie erzielt man Effekte? Unser Bereich, nämlich der Weg über Fördertöpfe, hat da enorm zugenommen."

LEADER-Management als wichtiges Standbein

Kennen gelernt haben sich die zwei Geographen in Stendal. Selbst Teil eines geförderten Modellvorhabens, haben sie sich im Büro für den Wettbewerb "Regionen aktiv – Land gestaltet Zukunft" damit befasst, wie die Altmark gestärkt werden kann. Als das Projekt auslief, fragten sie sich, wie es beruflich weitergehen könnte. Dank einer "guten Beraterin für Existenzgründung", wie sie erzählen, gingen sie 2008 den Schritt in die Selbständigkeit. Gleich zu Beginn kam der Auftrag für das LEADER-Management als wichtiges Standbein. Als solche Manager sind sie Ansprechpartner für alle Angelegenheiten rund um das Förderprogramm in der Region und betreuen die sogenannten Lokalen Aktionsgruppen Uchte-Tanger-Elbe und Elb-Havel-Winkel.
Die Lokalen Aktionsgruppen erarbeiten vor Ort die Entwicklungskonzepte und erhalten vom Land ein festgelegtes Budget. Sie prüfen, was in der Region gebraucht wird, nehmen die Bewerbungen von Interessierten entgegen, erstellen eine Prioritätenliste und helfen bei der Antragstellung. Wenn Paetow und Gäde zu neuen Ideen aufrufen, können sie schon mal 40 Projekte auf den Tisch bekommen. Wie viele davon am Ende förderfähig sind, hängt aber von den aktuellen Richtlinien ab – und die werden mit den Jahren immer komplexer. "Manchmal denke ich, wir sind keine Manager mehr, sondern Förderübersetzer. Wie das Schmiermittel zwischen den Förderprogrammen und den vielen Machern vor Ort", sagt Sibylle Paetow.

Fördermittel sind nicht umsonst

 

Selbstredend, dass die LandLeute immer auf dem neuesten Stand sind und durch den Bürokratiedschungel lotsen. Dennoch bleibt der Aufwand für die Antragsteller hoch. "Fördermittel sind nicht wirklich umsonst", stellt Björn Gäde klar. "Dafür muss man viel arbeiten. Wenn man die Zeit dafür aufrechnet, hat man das Geld im Grunde verdient."
In Buch klappt es wahrscheinlich mit der neuen Beregnungsanlage. Die Antragsunterlagen von Familie Albrecht werden derzeit im Landesverwaltungsamt geprüft. Dass es im Hochsommer keine staubtrockenen Reitplätze geben soll, würde den Hof noch einmal attraktiver machen – und damit auch das kleine Dorf weiter bereichern. Bereits jetzt ist hier viel los: Mit dem Elbezentrum des Naturschutzbundes, mehreren Pensionen und dem Elberadweg gibt es viele Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung. Mitten im Ort steht auch der einzige Roland in einem Dorf, der bereits 1611 errichtet worden ist. Doch jetzt muss er dringend saniert werden und auch hier kann LEADER helfen. Die Stadt Tangermünde hat einen Fördermittel-Antrag gestellt und hofft bald auf die Gelder für die notwendige Restaurierung.

http://www.landleute.eu
https://leader.sachsen-anhalt.de