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Klostergut Zscheiplitz zieht Touristen an

Wie mit Flurneuordnung ein historisches Gut aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde

- von Grit Gröbel-

„Man muss eine Sache beginnen, wenn man was erreichen will.“ Diese Worte stammen von Sportvater Jahn, dem großen Sohn Freyburgs, zu dem der Ortsteil Zscheiplitz mit seinem Klostergut gehört. Auf eben diesem Gut mit seiner Kirche aus dem 11. Jahrhundert, hat der langjährige Bürgermeister Martin Bertling Jahns Ausspruch voller Ehrgeiz angewandt.

Das so genannte Klostergut Zscheiplitz ist von historisch großem Wert für die Region im südlichen Sachsen-Anhalt. Einst von der „Schönen Adelheid“ als Nonnenkloster gegründet, war es bis 1945 in Privatbesitz und danach in die Bodenreform eingegangen. Und was es bedeuten kann, wenn durch eine Bodenreform nicht nur Felder sondern auch Gebäude rechtlich zerteilt werden, haben die Zscheiplitzer über Jahrzehnte beobachten können: Drei verschiedene Eigentumsverhältnisse machten eine Entwicklung schier unmöglich, historische Bausubstanz verkam.

Mit Beginn der 90er Jahre kam die Chance, das Klostergut aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. „Das Gebiet ist im Verhältnis zur Gesamtfläche von Zscheiplitz sehr groß und ortsprägend. Was lag also näher, als ein Dorf im Dorf zu entwickeln.“, resümiert Martin Bertling. Der sich heute im Ruhestand befindende Bertling spricht gern im WIR. Zu Recht! Denn enthusiastische Mitstreiter braucht solch ein Sanierungsvorhaben. Und die hatte und hat er. Allen voran die Bauamtsleiterin Astrid Weide.

Die versierte Ingenieurin betreute beispielsweise die Flächenerschließung und die Regelung von Eigentum. Die Flurbereinigung, so das Fachwort dafür, schaffte hier die Voraussetzung für die Dorferneuerung.

Die Neuordnung der Grundstückszuschnitte war unerlässlich, um die Anlage – heutigen Ansprüchen an Bewirtschaftung und Tourismus gerecht werdend – wieder nutzbar zu machen. Das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren wurde mit 37.600 Euro aus dem europäischen Fonds ELER (Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums) gefördert. Das Land Sachsen-Anhalt beteiligte sich mit rund 65.450 Euro und die Stadt Freyburg steuerte zudem etwa 23.660 Euro bei.

Wie sinnvoll das Geld investiert wurde, zeigt die erste gewerbliche Ansiedlung. Das Weingut Pawis erwarb den ehemaligen Schafstall und sanierte ihn. Dafür erhielt Bernard Pawis schon 2006 Fördermittel aus Europa. Mittlerweile ist das Weingut zu einem Besuchermagneten geworden. Und wer einmal dort ist, kann sich kaum dem Charme aus Historie und behutsam neu Gestaltetem entziehen. Beispielsweise beim Blick vom Nonnenturm auf das Unstruttal. Die Bauamtsleiterin selbst verweilt an der Stelle gern. Warum? „Hier kann man durchatmen!“, gibt sie sich selbst die Antwort.

Fast vergessen sind bei solchem Ausblick vom Hochplateau aus die oft mühseligen Bauarbeiten. „Im Klostergarten kamen die Bauleute nur mit Schubkarren voran.“, erzählt Astrid Weide.
Bestätigt wird das von Carsten Steinberg vom Naumburger Ingenieurbüro.
Doch was ihn ganz besonders reizt, ist die Art, wie hier Flurneuordnung, das Anlegen neuer Wegebeziehungen mit der Dorferneuerung insgesamt ineinander greifen. Und: wie sich dabei alles auf die Geschichte und die Region prägende Wirtschaft stützt.

„Hier sind Historie und Wein zusammen. Auf engstem Raum. Das ist ein Glücksumstand. Es ist spannend, mit dabei zu sein, das Klostergut wieder zum Leben zu erwecken.“, so Steinberg.
Dass der Besucher dieses schon heute immer mehr genießen kann, ist auch dem Tempo der Flurneuordnung zu verdanken. In nur eineinhalb Jahren war durchgeführt, was anderswo in Europa schon mal bis zu zehn Jahren dauern kann.

Die romanische Klosterkirche, die übrigens zu den ältesten der Region zählt, ist heute den Gästen so zugänglich, wie es moderner Tourismus verlangt. Angefangen von neu angelegten Parkplätzen bis hin zum geselligen Ausklang des Rundgangs beim „Rebensaft".

Der ELER trägt in Sachsen-Anhalt mit rund 904 Millionen Euro EU-Mittel - ein Viertel der gesamten dem Land von der EU zugewiesenen Fördergelder - dafür Sorge, dass die Entwicklung des ländlichen Raums sich als integraler Bestandteil der Gesamtpolitik für Beschäftigung und Wachstum vollzieht. Zusammen mit der nationalen Kofinanzierung stehen öffentliche Ausgaben in Höhe von 1,16 Milliarden Euro bereit. Zusätzlich will Sachsen-Anhalt 240 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt beisteuern, so dass das Land rund 1,326 Milliarden Euro für die Entwicklung des ländlichen Raums einsetzen kann.