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Historische Bibliothek wieder vereint

- von Kai Bieler -

Die Bibliothek der Familie von Alvensleben gilt als eine der bedeutendsten Privatsammlungen aus der Renaissance. Durch eine Initiative des Familienverbandes konnte der kostbare Bestand im vergangenen Jahr an historischer Stätte in der Börde wieder zusammengeführt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Seitdem bereichert die seltene Sammlung auch das Kulturangebot des Schlosses Hundisburg, welches sich bereits zuvor mit angesehenen Veranstaltungen einen überregionalen Namen gemacht hat. Unterstützt wurde der Aufbau der Bibliotheksräume durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).

„Seit vergangenem Sommer bewahren wir auf Schloss Hundisburg einen bedeutsamen Kulturschatz der Renaissance- und Reformationszeit“, berichtet Dr. Harald Blanke, Leiter des KULTUR-Landschaft Haldensleben-Hundisburg e.V., über die Aufnahme der Alvenslebenschen Bibliothek. Tatsächlich befindet sich heute auf der vom Verein verwalteten Burg eine wahre Fülle an kostbarsten Bücherraritäten: Darunter seltene Werke wie eine mit Cranach-Holzschnitten illustrierte Luther-Bibel, die 1541 von dem bekannten Buchdrucker Hans Lufft erstellt wurde, sowie verschiedene Inkunabeln, d.h. Bücher, die mit beweglichen Lettern zwischen der Fertigstellung der Gutenbergbibel und dem Jahr 1500 gedruckt wurden. Fast zwei Drittel des mehr als 6.000 Bände umfassenden Bestandes stammen aus dem 16. Jahrhundert, als dieser durch den Universalgelehrten und Reformator Joachim I. von Alvensleben in seinem Schloss Erxleben aufgebaut wurde.

Dass die Sammlung an historischer Stätte wieder vereint wurde und heute das Angebot des Schlosses Hundisburg um eine weitere Sehenswürdigkeit ergänzt, verdanken Schloss und Bibliothek dem Familienverband derer von Alvensleben, welche sich um die Pflege des Familienerbes bemüht. Denn über die Wirren der Nachkriegszeit um 1945 zerstreute sich die Büchersammlung zunächst von Halle/Saale bis nach Hannover, wobei damals ein Großteil des Bestandes in verschiedene Bibliotheken gelangte. Die restlichen Bücher gelten als verschollen. Erst 20 Jahre nach dem Mauerfall bot sich Gelegenheit, die Sammlung wieder zusammenzuführen, wobei sich Schloss Erxleben jedoch aufgrund baulicher Mängel als ungeeignet erwies. „Der Familienverband beschloss daher die Sammlung auf dem nahegelegenen Schloss Hundisburg unterzubringen, welches der Familie zuvor ebenfalls als Sitz und Bibliotheksunterkunft diente“, berichtet Dr. Blanke. Um die Bücher sachgemäß zu lagern und sie den Besuchern angemessen präsentieren zu können, wurden unter der Federführung von Holger Waldmann, Abteilungsleiter für Hoch- und Tiefbau der Stadt Haldensleben, ein Schauraum im Obergeschoss der Burg sowie ein Raum im Dachgeschoss für das Magazin der restlichen Bände ausgestaltet. Insgesamt elf regionale Betriebe setzten das Projekt um. „Bei der Aufmachung des Schauraumes haben wir uns eng an den Barockstil angelehnt, welcher auch zur Zeit der Entstehung der Privatbibliothek vorherrschend war“, erzählt Waldmann. Dieser Gedanke spiegelt sich besonders in der Farbgebung mit kräftigem Rot sowie in den aufwendig marmorierten Holzpaneelen an den Wänden wider, die dem Raum einen ehrwürdigen Charakter verleihen. „In diesem Schauraum befinden sich übrigens „nur“ 2.000 Bücher aus der Gesamtsammlung“, erklärt Holger Waldmann. Der Großteil lagere aus Sicherheitsgründen bei konstanten 15°C im Dachgeschoss.

Die Sammlung passt sich seitdem perfekt in das bisherige Repertoire des Schlosses ein, welches seit der Verwaltung durch den KULTUR-Landschaft Haldensleben-Hundisburg e.V. Anfang der 1990er Jahre zu einem beliebten Ausflugsziel mit umfangreichem Kulturprogramm avanciert ist. „Auf der Hundisburg finden regelmäßig Führungen und klassische Konzerte in historischem Ambiente statt. Unsere jährlich stattfindende Sommermusikakademie, welche als wichtigstes Musikereignis in der Region um Magdeburg gilt, als auch unsere Beteiligung am Netzwerk „Gartenträume“ zur Wiederentdeckung der kulturhistorischen Gartenkultur sind mittlerweile landesweit bekannt und ziehen immer mehr Gäste an“, berichtet Dr. Blanke, der seit der Aufnahme der Bibliothek deutlich steigende Besucherzahlen bei den Führungen verzeichnet. Wie hierfür geschaffen führt auch der Aller-Radweg am Schloss vorbei, welcher kulturinteressierte Touristen zu der geschichtsträchtigen Stätte leitet. Um das touristische Potenzial des Schlosses und der Region zu stärken, beteiligte sich der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) im Rahmen der Maßnahme zur Förderung des Fremdenverkehrs an der Finanzierung für die Einrichtung der Bibliothek auf der Hundisburg und stellte etwa 54 Prozent der für den Umbau benötigten 185.500 EUR zur Verfügung.

Nach Voranmeldung können Interessierte im Beisein eines Bibliothekars einen Blick in einzelne Bücher werfen und mit ihnen arbeiten. „Die Bände befinden sich in einem hervorragenden Zustand. Damit das so bleibt, gehört im Umgang mit den Jahrhunderte alten Folianten das Tragen von weißen Handschuhen zur unbedingten Pflicht“, so Dr. Blanke. Betreut wird die Privatsammlung in den nächsten 25 Jahren als Zweigstelle der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt durch die Stadt- und Kreisbibliothek Haldensleben, welche die weiterführende Katalogisierung des Bestandes nach und nach ausbauen will. „Erste Forscher untersuchen bereits konkrete historische Fragestellungen anhand der Sammlung“, erzählt Dr. Harald Blanke. „Wir freuen uns, dass wir helfen können, dieses wertvolle Kulturgut mit zu erhalten und unseren Besuchern einen tiefen Einblick in Geschichte der Bücher und der Hundisburg zu ermöglichen.“

Weitere Informationen unter: http://www.schloss-hundisburg.de/

Der ELER trägt in Sachsen-Anhalt mit rund 904 Millionen Euro EU-Mittel - ein Viertel der gesamten dem Land von der EU zugewiesenen Fördergelder - dafür Sorge, dass die Entwicklung des ländlichen Raums sich als integraler Bestandteil der Gesamtpolitik für Beschäftigung und Wachstum vollzieht. Zusammen mit der nationalen Kofinanzierung stehen öffentliche Ausgaben in Höhe von 1,16 Milliarden Euro bereit. Zusätzlich will Sachsen-Anhalt 240 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt beisteuern, so dass das Land rund 1,326 Milliarden Euro für die Entwicklung des ländlichen Raums einsetzen kann.