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Luthertomaten von April bis November

Die Wittenberg Gemüse GmbH bereitet die zweite Ernte-Saison vor

(von Bianca Kahl)

In der Natur freut man sich noch über die Frühblüher. Die Bäume beginnen erst, auszutreiben. In Wittenberg ist man seiner Zeit voraus. In zwei 7,5 Hektar großen Gewächshäusern wurden bereits im Dezember 600.000 neue Tomatenpflänzchen in Kokossubstrat gesetzt. Ihre Triebe haben sich langsam um die Rankhilfen gewunden. Inzwischen prangen bereits überall rote Früchte. Doch sie brauchen noch ein paar Tage, sind noch nicht geschmackvoll genug. Voraussichtlich nach Ostern kann die Ernte beginnen. „Wir hatten dieses Jahr zu wenig Sonneneinstrahlung“, begründet Wichard Schrieks den Zeitpunkt und nennt ihn spät. Doch jeder Hobbygärtner kann nur staunen: Dieselbe Pflanze wird von April bis November vollen Ertrag bringen.

„Viele sind überrascht, wie lecker unsere Tomaten sind. Das kriegen sie im eigenen Garten so nicht hin“, erzählt der Unternehmer Wichard Schrieks von Gesprächen während des Werkverkaufs. Der größte Teil des erwartungsgemäß 4500 Tonnen schweren Ertrags soll jedoch wieder an Supermärkte gehen. „An welche, das wird sich noch zeigen. Märkte rund um den Gardasee zeigen Interesse, doch am liebsten würden wir ja regional liefern.“ Dafür wurde auch extra ein Name kreiert: Die „Luthertomate“ heißt das beste Stück aus Wittenberg. Ob dieser Name dann auch tatsächlich am Etikett in der Gemüseabteilung stehen wird, kann Schrieks nicht beeinflussen: Auch die Vermarktung liegt in der Hand der Supermarktkette.

Es ist ein Jahr her, dass man in Wittenberg damit begonnen hat, im ganz großen Stil Tomaten zu ernten. 2013 wurde der große Gebäudekomplex errichtet: Zwei große Gewächshäuser – die Pieter van Gog und die Wichard Schrieks Gemüse GmbH – sowie ein Logistikzentrum, die Wittenberg Gemüse GmbH. Hinter dem Unternehmen stehen drei niederländische Familien und alle drei arbeiten Hand in Hand. In den Gewächshäusern wird produziert, im Logistikzentrum aufbereitet, verpackt und gelagert. Zudem bezieht die Betriebsstätte vom benachbarten Chemiebetrieb SKW Piesteritz Kohlendioxid und Abwärme, die dort als Abfallprodukte anfallen. Das war auch der entscheidende Punkt, warum der Unternehmer Wichard Schrieks und seine Partner Wittenberg als Standort ausgewählt haben. Denn bei der Zucht von Tomaten braucht es sehr viel Wärme und Kohlendioxid. Ein zuverlässiger Lieferant direkt nebenan ist da ein wahrer Segen – und gut für die Umwelt. Zudem schreiben sich die Unternehmen auf die Fahnen, dass sie ohne künstliches Licht auskommen, die Bewässerung in einem geschlossenen Kreislauf erfolgt, die Pflanzen auf einem kompostierbaren Substrat wachsen und von Hummeln natürlich bestäubt werden.

Die Unternehmer konnten sich über attraktive Fördermittel freuen. Je rund 430.000 Euro flossen für jedes Gewächshaus aus dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP), davon kamen allein 320.000 Euro aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). Die Gesamtkosten für den Bau jedes Gewächshauses betrugen jeweils 3,8 Millionen Euro. Das Logistikzentrum schlug mit insgesamt 3,9 Millionen Euro zu Buche. Hiervon wurden 40 Prozent über das Programm GRW (Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“) finanziert, das sich aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) speist. Allein 1,1 Millionen Euro kommen aus dem EFRE.

Aktuell wachsen im Gewächshaus fünf Sorten von Rispentomaten in unterschiedlichen Größen. „Wir probieren uns noch immer aus: Wie wachsen die Sorten gut? Wie optimieren wir die Organisation? Am wichtigsten ist, dass unsere Kunden zufrieden sind“, erklärt Wichard Schrieks. Produktionstechnisch sei das erste Jahr relativ gut gelaufen, doch den Verkauf habe die Russlandkrise sehr beeinträchtigt, denn deshalb seien die Preise zeitweise sehr stark eingebrochen. Aber die Unternehmer blicken zuversichtlich in die neue Saison. In den Hochzeiten werden wieder bis zu 130 Mitarbeiter beschäftigt.

„Einen so komplexen Standort, wo alles stimmt – Abwärme, sauberes Kohlendioxid, Flächengröße, sauberes Wasser und gute Infrastruktur – den gibt es kein zweites Mal in Deutschland“, ist sich der 49-Jährige sicher. Wenn sich die Tomaten aus Wittenberg fest am Markt etabliert haben, könnten sich die Unternehmer durchaus vorstellen, bis zu drei weitere Gewächshäuser zu errichten. Denkbar sei für die Zukunft auch der Anbau von Gurken oder Paprika. Dann würde auch die Zahl der Beschäftigten weiter steigen.

www.wittenberg-gemuese.de