Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Willingmann zu Besuch in Vietnam - Sachsen-Anhalt muss um ausländische Fachkräfte kämpfen
Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann weilte vom 19. bis 25. November mit einer Delegation in Vietnam. In Ho-Chi-Minh-Stadt unterzeichnete er eine erste Absichtserklärung. Sachsen-Anhalt wird in den kommenden Jahren gemeinsam mit den gewerblichen Kammern des Landes den Aufbau des „Bildungscampus Deutschland“ unterstützen. Auf dem Campus soll der Aus- und Neubau der International German School (IGS) für mindestens 450 Schüler sowie die Errichtung eines modernen Berufsbildungszentrums für 600 Berufsschüler realisiert werden. Für die Errichtung des Campus investiert die Bundesrepublik Deutschland in den kommenden drei Jahren insgesamt 18 Millionen Euro – der Bundestag hat diese Mittel bereits freigegeben. Weitere vier Millionen Euro steuert die gemeinnützige Gesellschaft „Deutsches Haus Ho Chi Minh Stadt“ bei. 75 Prozent der Absolventen sollen künftig mindestens fünf Jahre in Deutschland arbeiten, 25 Prozent in Vietnam.
„Der ‚Bildungscampus Deutschland‘ ist ein vielversprechendes Projekt, um Fachkräfte gezielt auszubilden und erfolgreich nach Deutschland und insbesondere nach Sachsen-Anhalt zu vermitteln“, betonte Willingmann bei der Unterzeichnung. „Der Campus könnte zudem beispielgebend sein für den Aufbau eines dualen Berufsbildungssystems in Vietnam.“
Etwa ein Drittel der rund 95 Millionen Vietnamesen ist jünger als 30 Jahre. 70 Prozent von ihnen leben auf dem Land, nur wenige verfügen jedoch über eine Berufsausbildung und entsprechende Berufsperspektiven. Anders sieht es in Sachsen-Anhalt aus: Allein im Oktober 2019 blieben rund 20.000 Stellen unbesetzt. Experten gehen davon aus, dass der Fachkräftebedarf aufgrund des Bevölkerungsrückgangs in den kommenden Jahren weiter zunimmt und bis 2030 auf rund 300.000 steigt. „Wir kommen deshalb nicht umhin, auch ausländische Fachkräfte für unser Land zu gewinnen“, erklärte der Minister weiter. „Damit deren Integration gelingt, müssen mögliche Interessenten aber vor Aufnahme der Tätigkeit im Lande ausreichend Deutsch lernen, andernfalls droht frühzeitiges Scheitern.“
Nach der Unterzeichnung der Absichtserklärung werde es in den kommenden Monaten nun darum gehen, das Projekt Bildungscampus mit Leben zu füllen. Willingmann setzt hier auf die gewerblichen Kammern in Sachsen-Anhalt, die auf der Delegationsreise durch die Präsidenten der Handwerkskammern Magdeburg und Halle sowie der Industrie- und Handelskammer Magdeburg vertreten sind. „Die Kammern müssen gemeinsam mit ihren Unternehmen die konkreten Fachkräftebedarfe ermitteln. Zudem ist gegenwärtig die Finanzierung der Betriebskosten des Campus noch ungeklärt. Ich bin aber vorsichtig optimistisch, dass wir eine Lösung finden, wenn alle beteiligten Akteure die Planungen in den kommenden Wochen forcieren und in der Sache an einem Strang ziehen. Klar muss sein, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungskosten – wie in Deutschland auch – durch die Wirtschaft selbst aufgebracht werden muss.“
Am 21. November besuchte die 29 Teilnehmer starke Delegation aus Vertreterinnen und Vertretern aus Sachsen-Anhalts Wirtschaft und Wissenschaft die Vietnamesisch-Deutsche Universität (VGU) in Ho-Chi-Minh-Stadt. Dort unterzeichnete der Präsident der Hochschule Anhalt, Prof. Dr. Jörg Bagdahn, gemeinsam mit Minister Willingmann und dem Präsidenten der VGU, Prof. Dr. Tomas Benz, einen Kooperationsvertrag. In den kommenden fünf Jahren wird die Hochschule Anhalt einen Architektur-Studiengang an der VGU aufbauen; der Austausch von Studierenden und Lehrenden zwischen beiden Einrichtungen soll entsprechend forciert werden.
„Ich freue mich sehr über den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen“, sagte Willingmann im Anschluss. „Die Hochschule Anhalt baut mit dieser Kooperation ihre vielfältigen internationalen Beziehungen aus. Davon werden sowohl die Studierenden beider Länder im Rahmen künftiger Austauschprogramme als auch die Lehrenden profitieren.“
In den vergangenen Jahren haben sich die Beziehungen zwischen Sachsen-Anhalt und Vietnam beispielhaft entwickelt. „An allen sieben staatlichen Hochschulen des Landes sind bereits heute Studierende aus Vietnam immatrikuliert; insgesamt fast 300 der knapp 7.000 ausländischen Studierenden in Sachsen-Anhalt. Darüber hinaus haben vier Hochschulen bereits Kooperationsbeziehungen, die es auszubauen gilt“, betont der Minister. Im Rahmen der Delegationsreise des Ministeriums sei es nun einmal mehr gelungen, diesen Austausch weiter zu fördern.
Am 22. November reiste die Delegation weiter nach Quy Nhon in der Provinz Binh Dinh. Im Fokus standen auch hier Gespräche zur Fachkräftewerbung sowie der Ausbau von Wissenschaftskontakten mit der Quy-Nhon-Universität und der Besuch des Quy-Nhon-Innovation-Valley. Weiter ging es am 24. November in die UNESCO-Welterbestadt Hoi An am südchinesischen Meer. Seit August 2013 ist Wernigerode mit Hoi An mit einer Städtepartnerschaft verbunden. Ein gemeinsames Photovoltaikprojekt im Rahmen dieser ersten deutsch-vietnamesischen Städtepartnerschaft wurde jüngst mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2019 ausgezeichnet. Auf dem Programm standen dort Gespräche mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft sowie ein Besuch der Altstadt, die seit 1999 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört.
Minister Willingmann hat nach der Delegationsreise eine erste positive Bilanz gezogen. „Gerade mit Blick auf die Gewinnung von Fachkräften ist es in Vietnam gelungen, neue Kontakte zu knüpfen und die Basis für vielversprechende Kooperationen zu schaffen“, erklärte er. Es sei allerdings notwendig, nun alsbald nächste Schritte einzuleiten. „Das schließt auch die Bereitschaft der Unternehmen ein, einen erheblichen Anteil der Kosten für die Ausbildung und Integration zu übernehmen sowie für attraktive Beschäftigungs- und Betreuungsbedingungen zu sorgen.“ Ein Leuchtturm-Projekt mit Blick auf die Gewinnung von Fachkräften sei etwa die Kooperation der beiden Partnerstädte Wernigerode (Landkreis Harz) und Hoi An am südchinesischen Meer, so Willingmann. Schon ab 2020 sollen bis zu 30 junge Vietnamesen nach sprachlicher Qualifizierung in Vietnam zur Ausbildung in den Harz kommen und zu Hotelfachleuten, Altenpflegern und Industrie-Fachkräften ausgebildet werden. Die Finanzierungsfragen wurden hier bereits geklärt und entsprechende Vereinbarungen geschlossen. „Sachsen-Anhalt muss um ausländische Fachkräfte kämpfen. Wenn wir das mit Durchhaltevermögen und konsequent tun – wie in diesem Projekt die beiden Partnerstädte in Zusammenarbeit mit der Akademie Überlingen –, dann wird es uns auch gelingen, junge Menschen für unser Land zu begeistern“, betonte der Minister.