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Zukunft Praxisassistenz

Sachsen-Anhalt stellt sich den Herausforderungen im Gesundheitswesen – Europäische Union fördert die Qualifizierung zur Nichtärztlichen Praxisassistentin

- Grit Gröbel -

Im Jahr 2025 werden 90.000 Menschen in Sachsen-Anhalt älter als 85 Jahre sein. Das sind doppelt so viele wie 2006. Zugleich nimmt die Bevölkerungsanzahl ab. Waren es 2006 noch 2,441 Millionen, werden es nach der Prognose des Statistischen Landesamtes im Jahr 2025 nur noch 1,976 Millionen sein.

Der zukünftige Fachkräftemangel geht damit einher, ist nicht nur in Sachsen-Anhalt branchenübergreifend und viel diskutiert. Allein rund 65 % der Ärztinnen und Ärzte im Land werden bis 2025 im Vergleich zu 2006 in den Ruhestand gehen. Panikmache ist dabei Fehl am Platz, sinnvolle Maßnahmen müssen gegensteuern. Sachsen-Anhalt stellt sich dabei den Herausforderungen im Gesundheitswesen – jüngst mit der Qualifizierung von medizinischem Fachpersonal zur „Nichtärztlichen Praxisassistenz“.

Anliegen der Weiterbildung ist es, die Hausärzte zu entlasten - und das insbesondere im ländlichen Raum. Seit vergangenem Sommer werden bei der Magdeburger Fit-Bildungs-GmbH „Nichtärztliche Praxisassistentinnen“ ausgebildet, wodurch die Chancengleichheit für Frauen in Beruf und Bildung nachhaltig unterstützt wird. Die Kursteilnehmer sind medizinische Fachangestellte, Arzthelferinnen, Krankenschwestern oder Sprechstundenhelferinnen. Die Qualifikation ist von der Ärztekammer zertifiziert und bundesweit anerkannt!

Gerade läuft der zweite Lehrgang und für die Geschäftsführerin der Bildungseinrichtung, Frau Dr. Helga Klemmt, liegt der Vorteil dieser Qualifizierung klar auf der Hand: „Der Hausarzt kann so seiner nichtärztlichen Praxisassistentin ärztlich delegierbare Aufgaben übertragen. Aber auch die Patientenbetreuung gewinnt weiter an Qualität.“ Denn während des Lehrganges werden die Teilnehmerinnen auch für die Schulung von Patienten und deren Angehörigen fit gemacht, beispielsweise zu den Themen Diabetes, Bluthochdruck und Ernährungsumstellung. Die sozialen Kompetenzen in den Bereichen der Tumorbegleitung sowie Trauerbegleitung für Angehörige werden ebenfalls geschult. Frau Klemmt ist selbst seit über 30 Jahren leitend im Gesundheitswesen tätig, ihre Einrichtung ist auf die Aus- und Weiterbildung von medizinischen Fachkräften ausgerichtet. Sie weiß also, wovon sie spricht und welcher Bedarf im Land besteht.

Die Ärzte bilden gern diejenigen aus ihrem Team weiter, zu denen sie das größte Vertrauen haben. Schließlich schicken sie ja die „Nichtärztlichen Praxisassistenten“ in ihrem eigenen Auftrag in den häuslichen Bereich des Patienten. Darüber hinaus ergänzen sie sinnvoll die mobilen Pflegedienste. Während letztere ausschließlich für die häusliche Krankenpflege ausgebildet sind, darf die „Nichtärztliche Praxisassistentin“ beispielsweise spritzen oder ein EKG erstellen. Wenn beide Hand in Hand arbeiten, ergeben sich Synergien für alle. So kann der Informationsaustausch untereinander den Arzt zum Beispiel in die Lage versetzen, medizinisch notwendige Pflegestufen besser und schneller zu erkennen oder die medizinische Versorgung auch in kleineren, entlegeneren Orten zu sichern.

Diese Aspekte hat auch Europa erkannt – der Europäische Sozialfonds (ESF) fördert die Qualifizierungsmaßnahme mit 99.900 Euro, das ist fast die Hälfte der förderfähigen Gesamtkosten. Insgesamt drei Kurse mit 60 Teilnehmern wird es bis zum Frühjahr 2011 geben, im derzeitigen zweiten lernen 18 Frauen. Ihre Berufserfahrung reicht von drei bis über 40 Jahren. Karen Schiller und Steffen Marzinkowski, die das Weiterbildungsangebot konzipiert haben, sehen darin einen Pluspunkt: Das voneinander Lernen geht in den Pausen weiter.
Ingeborg Schmidt bildet sich gerade weiter. Als dreifache Oma und mit 42 Jahren Berufserfahrung drückt sie hier die Schulbank. Ihr Chef selbst hat sie dazu überredet. Und Überredungskünste habe es schon bedurft, gibt die 58-jährige zu. Zweimal wöchentlich inklusive samstags über Monate hinweg fährt sie von Aschersleben nach Magdeburg und: lernt, lernt, lernt. Ihre anfängliche Skepsis ist verflogen. „Unser Kollektiv hier ist top. Es macht mir Spaß, auch nach so vielen Jahren im Beruf noch Neues beigebracht zu bekommen.“, erzählt Ingeborg Schmidt. „Ja, du schaffst das! Damit sporne ich mich gern an.“, ergänzt sie, und da sie sich im Kurs wohl fühle, wird sie es auch.

Nicht immer einfach ist es auch für Elke Lau. Die vierfache Mutter, die jüngsten Kinder sind fünfjährige Zwillinge, reist extra aus Weißenfels an. Etwa zwei Stunden pro Strecke braucht sie mit dem Auto. An den Samstagen heißt das, um 5 Uhr aufzustehen – nach einer langen Arbeitswoche in der Praxis. „Ohne die Unterstützung meiner Familie wäre das für mich nicht leistbar.“, weiß die Vierzigjährige. Und die schönste „Entschädigung“ bei ihrer Rückkehr in den Süden des Landes seien die Zwillingsjungs, wenn sie ihre Mutter bei der Begrüßung regelrecht überfallen.

Ob Elke Lau oder Ingeborg Schmidt: Im Einsatz als nichtärztliche Praxisassistentinnen in Sachsen-Anhalt liegen ihnen die fachlich versierte Patientenversorgung und die Zeit für die soziale Betreuungsqualität am Herzen.

Der Europäische Sozialfonds (ESF) ist das soziale Gesicht Europas. Mit rund 640 Millionen Euro unterstützt dieser Fonds der Europäischen Union (EU) von 2007 – 2013 Beschäftigungs-, Qualifizierungs- und Ausbildungsprogramme des Landes Sachsen-Anhalt. Bis 2013 werden so etwa 16 200 Projekte gefördert und damit rund 245 000 Menschen im Land direkt erreicht.