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Die gute Fee vom Jobcenter

Das Projekt „Familien stärken“ eröffnet Eltern neue berufliche Perspektiven

(Von Björn Menzel, 18.10.2017)

Wenn eine gute Fee kommt, was würden Sie sich von ihr wünschen? Das ist eine der ersten Fragen von Jenny Gerchel. Sie stellt sie meist Frauen, die jünger als 35 Jahre alt sind und keinen Job haben. Diese Frauen sind alleinerziehend und gelten deshalb auf dem Arbeitsmarkt als schwer vermittelbar. Jenny Gerchel ist selbst 31 Jahre alt. Sie ist ein sogenannter Familienintegrationscoach und bietet alleinerziehenden Frauen und Männern sowie Paaren mit Kindern ihre Hilfe an.

Gerchel arbeitet im Auftrag des Altmarkkreises Salzwedel im dortigen Jobcenter. Sie hat ein Büro in Klötze und eines in der Kreisstadt. Ihre Arbeit wird unterstützt mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) sowie des Landes Sachsen-Anhalt. Das Programm, das auch in den anderen Landkreisen und kreisfreien Städten Sachsen-Anhalts durchgeführt wird, trägt den Namen „Familien stärken – Perspektiven eröffnen“. Es soll Menschen wieder in Arbeit bringen, die Kinder haben und gleichzeitig Arbeitslosengeld II beziehen. Keine leichte Aufgabe.

Nicht alle Wünsche können erfüllt werden

Jenny Gerchel trifft sich dafür mehrmals mit ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Zuerst lernen sie sich in ihrem Büro kennen. Im Erstgespräch geht es um die Schulausbildung und berufliche Qualifikationen. Es geht z. B. um eine eventuelle Kinderbetreuung, um Perspektiven, Möglichkeiten oder Hilfe zur Selbsthilfe. Das ist der Augenblick, in dem Jenny Gerchel die Frage mit der guten Fee stellt.

Dabei sind die Mitarbeiterin des Altmarkkreises Salzwedel und ihre drei Kolleginnen auf den ersten Blick keine guten Feen. Sie können nicht alle Wünsche erfüllen. Jeder Fall ist anders. Hinter vielen Menschen steckt ein Schicksal. Aber die Familienintegrationscoaches gehen pragmatisch an ihre Arbeit und haben Erfolg damit. Seit Beginn des Programms, Mitte 2015, begleiteten sie bereits mehr als 230 Frauen und Männer. „Etwa die Hälfte davon konnten wir in einen Arbeitsplatz vermitteln“, sagt Projektkoordinator Christian Wiemann. Das sei bei Menschen, die schon lange nicht gearbeitet haben, eine sehr gute Bilanz.

Gerchel und ihre Kolleginnen sind auch deshalb so erfolgreich, weil sie sich nicht nur um die Bedürfnisse der Arbeitssuchenden und ihrer Kinder kümmern, sondern auch um die der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. In einer großen Kartei haben sie diejenigen Firmen gelistet, die potenziell in Frage kommen. Das sind zum Beispiel Pflegeeinrichtungen oder Einkaufsmärkte. Gerade in diesen Bereichen möchten viele junge Frauen tätig werden, können aber nur schwer Schichtarbeit und Kinderbetreuung vereinbaren.

Betreuung auch an der Arbeitsstätte

Jenny Gerchel telefoniert mit den Firmenchefs und besucht die Betriebe. Im Gepäck hat sie dabei auch einen besonderen Anreiz. Wer sich als Firma an dem Programm beteiligt, kann bei der Investitionsbank Sachsen-Anhalt einen Zuschuss zum Lohn der vermittelten Arbeitnehmer beantragen. Möglich sind monatlich bis zu 1.000 Euro und dies für einen Zeitraum von maximal sieben Monaten. „Das ist ein guter Anreiz für einige Unternehmen“, sagt Gerchel. Die Projektmitarbeiterinnen sind aber stets bemüht Arbeitgeber zu finden, die das Potential der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erkennen und Arbeitsplätze ohne staatliche Unterstützung anbieten.

Aktuell stehen dem Altmarkkreis für das dreijährige Projekt „Familien stärken – Perspektiven eröffnen“ rund eine Million Euro zur Verfügung.

Wenn die Frauen und Männer in einen Job vermittelt wurden, hört die Betreuung durch Jenny Gerchel nicht auf. Sie ist bei der Einarbeitung mit dabei und besucht die Arbeitsstätte. „Viele sind dankbar, dass es uns gibt“, sagt Gerchel und erinnert sich an ein Telefonat. Es rief eine junge Frau an. Seit Wochen hatten sie zusammen versucht, eine Stelle beim Wunscharbeitgeber zu bekommen. Erst kam die Zusage, dann eine unerwartete Absage. Dann klappte es doch.

Die junge Frau hat am Telefon geweint. Vor Freude. Und Dankbarkeit. Vielleicht ist Jenny Gerchel doch eine gute Fee.