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Uhrenturm Hettstedt - Mit der Zeit nimmt der Tourismus Fahrt auf

Ältester Schmalspurbahnhof Deutschlands hat wieder einen Uhrenturm

(Bianca Kahl - 23.08.2017)

Noch gilt es als Geheimtipp unter echten Eisenbahnfans: Eine Fahrt mit der ältesten noch betriebenen Schmalspurbahn Deutschlands. Doch diese Eisenbahnfans kommen mittlerweile sogar aus England und den Niederlanden: Am Bahnhof Klostermansfeld in Benndorf fahren schon mal ganze Reisebusse vor, um in die denkmalgeschützte Mansfelder Bergwerksbahn einzusteigen. Elf Kilometer des alten Schienennetzes sind noch erhalten: Sie führen nach Hettstedt zur ehemaligen Kupferkammerhütte. Samstags 15 Uhr fährt sogar ein Regelzug von Benndorf nach Hettstedt – und zurück.

Von Anfang an der Endpunkt

„Viele Einheimische wissen gar nicht, dass an der früheren Schmelzhütte in Hettstedt ein Zug fährt. Dabei startet er dort schon seit 1880”, sagt Marco Zeddel vom Mansfelder Bergwerksbahn e. V. Der Verein hat sich 1991 gegründet, um die letzten Kilometer des Schienennetzes zu retten und die Bahn für den Tourismus wieder zu beleben.

Vom Gebäudekomplex der Kupferkammerhütte in Hettstedt, einem Schmelzwerk aus dem 17. Jahrhundert, steht heute nur noch der historische Bahnhof. Er stellte von Anfang an den Endpunkt der Schmalspurbahn dar. Die Züge brachten das Kupfer aus den nahe gelegenen Kupferschächten zur Schmelzhütte. Bald wurde die Bahn auch für den Personenverkehr erweitert. Ein Bahnnetz von etwa 100 Kilometern entstand, wenngleich die Strecken über die Jahre variierten: Ein Schacht lieferte zehn bis dreißig Jahre lang Kupfer. Gab es nichts mehr zu fördern, mussten die Schienen zu einem anderen verlegt werden. Einige Schächte wurden ab 1871 sogar mit Seilbahnen bedient. Es stellte sich aber heraus, dass sie zu teuer und unflexibel waren.

2007 begann der Verein, den ältesten Schmalspurbahnhof Deutschlands in Hettstedt zu sanieren und zu rekonstruieren. Der historische Dielenfußboden im alten Stellwerksgebäude ist gerade frisch gestrichen. Er leuchtet in einem kräftigen Rotbraun und es riecht noch nach Farbe. Hier sollen bald Fahrkarten und Souvenirs verkauft werden. Im Bahnhofsgebäude sind ein Bistro und Toiletten geplant. Studenten der Bauhaus-Universität Weimar arbeiten an einem attraktiven Konzept, das sich in die strengen Bestimmungen des Denkmalschutzes einfügt.

Es ist an der Zeit für mehr Tourismus

Nicht weit entfernt steht ein markanter Uhrenturm aus Holz. Der Verein hat ihn 2016 wieder aufgebaut. „Vor einigen Jahren haben wir in der Bahnwerkstatt hinter der Schmiede zufällig ein historisches Foto von 1933 gefunden”, erinnert sich Zeddel. Darauf stehen ein paar Kumpel Parade. Im Hintergrund ist der alte Uhrenturm zu sehen. Er wurde vermutlich 1886 errichtet, sodass die Zeit nach allen Seiten hin gut sichtbar war. Taschenuhren galten damals noch als Luxus und die Kumpel sollten im Getümmel schnell sehen, wann ihre Schicht beginnt oder der nächste Zug mit Kupfer ankommt. Zeitweise gab es sogar eine Sirene auf dem Turm, die die Schichten ankündigte.

„Es existieren nur wenige Belege für den Turm. Doch das alte Foto brachte uns auf die Idee, ihn wieder aufzubauen”, so Zeddel. Anhand der Grundplatte, die noch immer vorhanden war, maß man die Fläche aus und berechnete die Höhe. Für die Baukosten von insgesamt 43.000 Euro gab es Unterstützung aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER): 80 Prozent der Gesamtsumme wurden vom ELER über die Maßnahme LEADER bereitgestellt, um die touristische Erschließung des historischen Bahnhofsgeländes zu fördern.

 

Eine Fete mit Dampfross

Über acht Personenwagen verfügt die Bergwerksbahn heute wieder. Zu DDR-Zeiten sind die Schienen noch befahren worden, weil es nicht genügend Lkw gab. Nach dem Aus des Bergbaus im Mansfelder Bergrevier Ende der 1960er Jahre sind die Waggons verkauft worden. Fortan dienten sie als Gartenlauben, Umkleidekabinen oder Ställe. „Nach 30 Jahren als Hühner- oder Kaninchenstall ist vom Personenwagen natürlich nichts mehr übrig. Die mussten wir alle rekonstruieren”, erzählt Marco Zeddel. Jetzt passen wieder bis zu 50 Leute rein und mitunter gibt es auch Tische und eine Toilette – perfekt für einen runden Geburtstag oder eine Hochzeitsfeier. Sich einen Tag lang eine Dampflok zu mieten, erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Wenn die einmal angeschürt wird, ist es egal, wie viele Wagen man anhängen will.

Öffentliche Sonderfahrten finden zu Anlässen wie Frauen- und Nikolaustag statt. Es gibt Ausflüge an blühenden Kirschbäumen vorbei. Bei der Osterfahrt werden für die Kinder ein paar Nester versteckt. Mindestens ein Mal im Jahr führt die Theaterfahrt zum Lokschuppen, wo dann eine Vorstellung stattfindet. Zudem kann man natürlich an Infofahrten zum Thema Bergbau teilnehmen. Besonders beliebt ist aber der Lokführerschein, den Amateure auf der Schmalspurbahn ablegen können: Die mehrstündigen Seminare sind in der Regel ein Jahr im Voraus ausgebucht.