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Phosphatdünger aus Klärschlammasche

Wichtiger Pflanzennährstoff bleibt dank EFRE-Beteiligung im Stoffkreislauf

(Von Walter Liedtke, 21.10.2021) 

Erfolgversprechende Geschäftsmodelle zeichnen sich manchmal bereits langfristig ab: Schon 2013 stand im Koalitionsvertrag der damaligen Großen Koalition der Satz „Wir werden die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken beenden und Phosphor und andere Nährstoffe zurückgewinnen.“ Es dauerte vier Jahre, bis dieser gute Vorsatz umgesetzt wurde. Seit 2017 steht in der Klärschlammverordnung, dass große Kläranlagen bis spätestens im Jahr 2029 den Phosphor aus ihrem Klärschlamm zurückgewinnen müssen. Das Problem: 2017 gab es noch nirgendwo eine große Recyclinganlage zur Herstellung von Phosphatdünger. Doch bis 2029 werden sehr viele solcher Anlagen benötigt.

Der Betriebswirt Henning Schmidt hat diese Chance frühzeitig erkannt und sich deshalb 2016 gemeinsam mit anderen Partnern dazu entschlossen, eine solche Anlage zu bauen. Das chemische Verfahren war zwar schon bekannt, konnte aber nicht erfolgreich umgesetzt werden. „Die Asche darf nicht mehr in die Zementindustrie gehen oder unter Tage verklappt werden, sondern das Phosphat muss herausrecycelt werden“, erklärt Henning Schmidt. Seine Firma Seraplant hat den Prototypen für das Phosphorrecycling aus Klärschlammasche geplant und im Südhafen von Haldensleben in zwanzig Monaten errichten lassen: „Wir haben mit drei Partnern zusammengearbeitet, damit nicht nur die Granulierung, sondern auch die Düngerhaltung und Düngerlagerung professionell erfolgen.“ Für den Bau benötigte Seraplant insgesamt rund 25 Millionen Euro Kapital. Das Unternehmen erhielt Fördermittel vom Land Sachsen-Anhalt und vom Bundesumweltministerium. Eine wesentliche Unterstützung kam dabei aus dem IBG Risikokapitalfonds III (RKF III) des Landes Sachsen-Anhalt. Dieses Finanzinstrument wird durch Mittel des Landes und von der EU aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanziert und investiert in kleinere, innovative Technologieunternehmen mit Wachstumspotenzial in Sachsen-Anhalt. Insgesamt fließen fast 46 Mio. Euro EFRE-Mittel in den RKF III. Diese werden wiederum in Form von Beteiligungen durch den Fondsverwalter bmp Ventures AG an Unternehmen ausgereicht. Im Fall von Seraplant beteiligte sich der RKF III mit insgesamt knapp 5 Millionen Euro an der innovativen Entwicklung.  

60.000 Tonnen Phosphatdünger pro Jahr

Obwohl in Haldensleben nicht mehr als 20 Arbeitsplätze entstanden sind, besitzt dieses Pilotprojekt für das Land Sachsen-Anhalt einen hohen Stellenwert. Zur Einweihung der Anlage am 31. Mai 2021 kam der damalige Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann persönlich. Henning Schmidt ist froh, dass der Bau trotz Corona störungs- und verzögerungsfrei funktioniert hat: „Jetzt ist das Recyclingverfahren zur Produktionsreife gekommen. Der „Proof of concept“ ist erfolgt“, bestätigt er mit einer gewissen Genugtuung. Im Südhafen ist eine Chemiefabrik entstanden. Das Herzstück des Prozesses ist der Apparat für die Sprühgranulation. Von außen gesehen sind die Aschesilos und die Säuretanks der Anlage besonders markant.

Bei Seraplant werden pro Jahr ab jetzt rund 60.000 Tonnen Phosphatdünger produziert. Der ist wichtig für die Landwirtschaft und den Gartenbau. Phosphor ist lebensnotwendig für Pflanzen. Die Böden in Mitteldeutschland haben einen höheren Düngebedarf mit Phosphat als die Böden in anderen Regionen Deutschlands. Henning Schmidt: „Mit dieser Anlage decken wir ungefähr fünf bis acht Prozent des deutschen Marktes ab. Je mehr Phosphatdünger in Deutschland gewonnen wird, umso weniger ist man von Importen aus Nordrussland, Marokko oder China abhängig.“

Dünger für die Region

Am Standort in Haldensleben gibt es zahlreiche Agrarhandelsfirmen. Aus dem großen Binnenhafen wird über den Mittellandkanal viel Getreide verschifft. Die Düngerproduktion nutzt die Synergieeffekte mit diesen Nachbarn: Die Agrarhändler aus Mitteldeutschland liefern ihr Getreide in Haldensleben an und auf der Rückfahrt nehmen sie den Phosphatdünger wieder mit zu den landwirtschaftlichen Betrieben. „So vermeiden wir Leerfahrten der LKW“, erklärt Schmidt. Seraplant verkauft den Dünger an Großhändler: „Wir kennen den Düngermarkt von der Absatzseite her und haben langfristige Lieferverträge mit den beiden Marktführern in Deutschland.“ Die Klärschlammasche stammt aus kommunalen Abwässern aus dem Umfeld von 35 Kilometern in westlicher und östlicher Richtung von Haldensleben. Künftig wird sie zum Beispiel auch aus Helmstedt-Buschhaus angeliefert. Dort wird gerade eine Klärschlammverbrennungsanlage gebaut, die im nächsten Frühjahr ans Netz geht. Auch in Magdeburg wird eine solche Anlage geplant und gebaut. 

Geheimnisvolle Granulierung

Die Klärschlammasche enthält das Phosphat bereits. Doch es würde den Pflanzen nicht helfen, die Asche direkt auf die Felder auszubringen, denn die Pflanzen können das Phosphat nicht selbst aus der Asche entnehmen. „Durch unser Verfahren wird das Phosphat wieder zugänglich“, berichtet Henning Schmidt. Das geschieht in einem chemischen Prozess. Mithilfe von Säure und Wasser, die der Klärschlammasche zugefügt werden, entsteht eine Suspension, die in Anschluss granuliert wird. Während des Prozesses entstehen keinerlei gefährliche Zwischenprodukte, Rückstände oder Abgase. Das Ergebnis sind zwei verschiedene Dünger: ein Mehrnährstoffdünger und ein Superphosphatdünger. Beide Produkte werden ausschließlich in das regionale Umfeld in Mitteldeutschland verkauft. Nach den ersten Monaten im vollen Betrieb hat sich das Sprühgranulationsverfahren in der Praxis bewährt. Henning Schmidt: „Es mussten nur an wenigen Stellen Materialien ausgetauscht werden, die der Aggressivität der Düngersuspension nicht gewachsen waren. Aber das konnte behoben werden.“

Große Neugier in der Branche

Besonders gefreut hat Henning Schmidt die gute Zusammenarbeit mit allen Behörden im Land Sachsen-Anhalt: „Die Beantragung der Fördermittel und auch die Begleitung des Baus dieser Anlage durch die Landesbehörden hat wirklich sehr partnerschaftlich und gut funktioniert“, berichtet er. Die neue Anlage ruft in der Düngemittelbranche ein reges Interesse hervor, denn jeder will sehen, wie die Abscheidung von Phosphor aus der Klärschlammasche im großtechnischen Format funktioniert. Henning Schmidt ist zufrieden: „Unser Kreislaufwirtschaftsprojekt liefert einen wesentlichen Beitrag zu einem nachhaltigen und ressourcenschonenden Umgang mit dem lebensnotwendigen Wertstoff Phosphor.“ Gemeinsam mit seinen Geschäftspartnern will Seraplant in den kommenden Jahren weitere Anlagen in ganz Deutschland errichten.

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Weitere Quellen: