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Fliesensaal und Rosengarten

Im Karower Schloss lebt der Glanz aus alten Tagen wieder auf

(Bianca Kahl, 24.11.2017)

„Manches hier ist schon immer so gewesen, wie es jetzt ist“, sagt Birgit Baumgärtel. Sie steht auf ihrer Terrasse in Karow und blickt in den Schlosspark, wo der Hausmeister gerade mit einer Schubkarre im Gange ist. „So ähnlich ist es auf einem alten Kupferstich zu sehen: Der Gärtner bei der Arbeit im Park“, schmunzelt sie.

Vor elf Jahren zogen Birgit und Heinrich Baumgärtel aus der Nähe von Hamburg auf den alten Karower Gutshof. Damals bewohnten die beiden nur drei Zimmer im Obergeschoss des Herrenhauses und arbeiteten sich von dort aus langsam vor. Das ganze Gebäude eine Baustelle: Fenster, Türen, Wände und Fußböden mussten erneuert, alle Dächer frisch gedeckt, Heizung, Strom, Sanitär neu installiert werden. Die Sanierung der Fassaden ist noch immer nicht komplett geschafft.

Die Natur im Wintergarten

Die farbenfrohen Wände im prächtigen Wintergarten bemalte ihre Tante mit Motiven aus der Natur: Storch, Pfau und Fasan, Rose, Fingerhut und Glockenblumen. Die große Küche – ein traumhafter Fliesensaal in Weiß und Blau.

„Wir wussten anfangs gar nicht, dass hier einmal ein Fliesensaal gewesen ist. Dann habe ich draußen beim Einpflanzen meiner Rosen immer wieder Bruchstücke aus blau-weißer Keramik gefunden und nachgeforscht“, erzählt Birgit Baumgärtel. Nach vielen Mühen erhielt das Ehepaar Baumgärtel die historischen Fliesen aus dem Kreismuseum des Jerichower Landes. Sie waren zu DDR-Zeiten von den Wänden geschlagen worden. Die Jahrhunderte alte Innenausstattung wurde dem Pragmatismus geopfert, denn das Gebäude hat viele Jahre lang als Schule, später als Jugendclub gedient. Der örtliche Kindergarten ist noch heute im Ostflügel beheimatet.

Das Ehepaar Baumgärtel hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Gutsanlage nicht nur zu erhalten, sondern auch etwas vom früheren Glanz wieder aufleben zu lassen. Es gibt eine historische Fotografie mit märchenhaften Türmchen, doch so weit muss es gar nicht gehen. Den einstigen „Pleasureground” an der Südseite, eine schöne Rasenfläche mit weißem Kies, möchten die beiden hingegen wiederherstellen – inklusive Blumenkübel und Wasserfontäne als barockes Relikt.

Bis zum Krieg das Zuhause von Grafen

Karow war bereits im Mittelalter als Rittergut bekannt. Das heutige Herrenhaus errichtete der Freiherr Marquard Ludwig von Printzen Anfang des 18. Jahrhunderts im barocken Stil. Kürzlich fuhr im Ort ein großer Reisebus vor: Eine Gruppe Geschichts- und Kulturinteressierter hielt auf ihrer Rundreise zu Burgen und Schlössern Sachsen-Anhalts. Während der Führung fiel auch der Name des Bauherrn „von Printzen” und sogleich ging ein anerkennendes Raunen durch die Runde. Die Mitglieder der Denkmalschutzinitiative Deutsche Burgenvereinigung e.V. wussten sofort, was man normalerweise erst erklären muss: Bei diesem Mann handelte es sich um die rechte Hand des preußischen Königs. Die Region profitierte enorm von seinem Einfluss und er rettete nicht nur das Rittergut vor dem Verfall.

Später ist es in den Besitz der Grafenfamilie von Wartensleben gekommen, die nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich enteignet wurde. Im Laufe der Generationen hatte die Familie den herrlichen Park mit seinen Lindenalleen angelegt und eine Kartoffelbrennerei errichtet. Der neugotische Bau dient heute oft als Veranstaltungsort. Zum Karower Weihnachtsmarkt werden darin Kerzen gezogen und Apfelpunsch ausgeschenkt. Nebenan wartet Birgit Baumgärtel jedes Jahr aufs Neue als Hexe verkleidet im Holzhaus mit selbstgebackenen Lebkuchen auf dem Dach. Die Kinder müssen dann erst durch einen dunklen Wald aus aufgesteckten Tannenzweigen und vorbei an ausgestopften Tieren, wenn sie ihr die Süßigkeiten stehlen wollen.

Gestaltungssinn mit Hilfe aus der EU

Birgit Baumgärtel ist in die Küche mit den blauweißen Fliesenwänden gegangen. Die Haushaltshilfe bereitet dort Häppchen für einen Besuch vor: Hüttenkäse und selbst gemachte Hirschsalami. Unterm Tisch schläft der alte Hund, über die Terrasse spaziert ein Pfau. Heinrich Baumgärtel ist von der Arbeit nach Hause gekommen und macht sich sogleich wieder an die Arbeit: Heute steht das Düngen einiger Bäume auf dem Plan.

Seit Jahren investiert die Familie Baumgärtel viel Zeit und Energie in den Erhalt der Anlage. Immer wieder konnte sie dabei auch von Fördergeldern aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) profitieren. Zum Beispiel 2016, als das Ehepaar Dach und Fassade am Westflügel des Herrenhauses erneuern ließ. Über das Programm LEADER erhielt es hierfür eine Förderung in Höhe von rund 40.000 Euro aus dem ELER.

Ein Haus für die Familie

Vom Engagement der Baumgärtels profitieren auch die Anwohnerinnen und Anwohner: Der 20 ha große Park ist öffentlich zugänglich. Es gibt mehrere Ferienwohnungen, die Auswärtige in den Ort locken. Und das Ehepaar Baumgärtel lässt sich immer wieder etwas Neues einfallen, um gemeinsam mit dem Heimatverein den Ort zu beleben.

„Wir wollen, dass möglichst viele Menschen etwas vom Erhalt des Gutshofes haben”, sagt Birgit Baumgärtel, die Mutter von drei erwachsenen Kindern. „Doch vor allen Dingen machen wir das alles für unsere Familie. Das Gut soll ein Mehrgenerationenhaus sein – so, wie es immer war.”