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Abbotheke - Ein Plätzchen an dem man bleiben will

Das Ehepaar Schubert wagt mit seinem Dorfladen "Abbotheke" einen zweiten Versuch

(Bianca Kahl - 15.06.2017)

Pflaumenfarbene Wände in der Ferienwohnung und im Laden individuelle Holzregale vom Schreiner: Gleich auf den ersten Blick wird deutlich, dass Tatjana und Thomas Schubert nicht nach dem Prinzip Nullachtfünfzehn arbeiten. Was sie anpacken, hat Anspruch. Das Ehepaar betreibt einen kleinen Laden in einem 250 Jahre alten ehemaligen Bauernhof mit gelber Holzverkleidung. „Abbotheke“ steht auf einem schlichten Schild über dem Schaufenster. – Dabei handelt es sich nicht etwa um einen Rechtschreibfehler. Der Name des Ladens nimmt Bezug auf den Ort, wo man ihn findet: In Abbenrode, einem Dorf mit nicht mal 1000 Einwohnern im nördlichen Harzvorland. Schuberts führen dort eine Art Tante-Emma-Laden, die letzte Einkaufsmöglichkeit im Dorf.

Der eigene Laden als Gewinn für alle?

Alles begann mit einem Zeitungsartikel. 2011 kündigte der Betreiber des letzten Lebensmittelladens in Abbenrode an, sein Geschäft aufzugeben, und es ging ein großer Aufschrei durch den Ort: Wo sollen gerade die älteren Leute einkaufen gehen? Eine Frage, von der sich Tatjana Schubert persönlich angesprochen fühlte. Der Liebe wegen war sie zu ihrem Lebensgefährten nach Abbenrode gezogen: aus Karlsruhe, wo sie ihre jahrelange Karriere in einer Supermarktkette aufgab. Arbeit hatte sie im Nachbarort im Einzelhandel gefunden. Doch der Gedanke, ihre eigene Chefin zu sein, hatte seinen Reiz.

Tatjana Schubert entschied sich also gegen ihr gesichertes Einkommen und übernahm mit ihrem Mann den alten Lebensmittelladen im Ort. Das Ehepaar investierte viel Geld in die Renovierung, neue Möbel und Elektrogeräte. Zur Eröffnung gab es noch ein großes Hallo, doch dann blieben die meisten Leute weg. Auch viele der älteren Menschen, denen das Angebot ja in erster Linie galt, schoben ihre Rollatoren lieber in den Linienbus und fuhren in den Nachbarort. Denn dort im Supermarkt sind die Waren ein paar Cent billiger.Schuberts probierten viel aus, um auf ihre Kosten zu kommen: Sonntagsverkauf, ein verändertes Sortiment, großzügige Öffnungszeiten und ein Internetblog mit persönlichen Eindrücken rund um den Laden. Doch nach vier Jahren mussten sie sich eingestehen, dass es so nicht weitergehen kann.

Ein Neuanfang im Eigenheim

„Wirtschaftlich ist das eigentlich Unfug, was wir hier machen", sagt Thomas Schubert. Man könne auch etwas anderes verkaufen und über die Region hinaus denken. „Aber uns geht es ja um die Leute. Manche brauchen uns tatsächlich und sind sehr dankbar für die Abbotheke.“ Das Ehepaar überdachte die Möglichkeiten: Wie können wir die teure Miete und die hohen Energiekosten einsparen? Wie könnten wir uns ein Café als zweites Standbein einrichten und das Geschäft am einfachsten verkleinern?Auf der Suche nach der Antwort, nämlich einer eigenen Immobilie, stießen die beiden auf den alten Bauernhof. Keine Heizung, das Dach war durchlöchert; das Wasser lief in alle Etagen hinunter. Trotzdem: „Ich habe mich sofort in dieses Haus verliebt", erzählt Tatjana Schubert. „Besonders der gemütliche Innenhof gefällt mir sehr. Am Nachmittag scheint hier die Sonne so schön rein.“In ebendiesem Innenhof steht sie jetzt unterm alten Kirschbaum, den sie so mag, und schaut nachdenklich auf das Haus. Das Dach ist frisch saniert, ebenso Fenster und Fassade des Hauptgebäudes. Im Nebengelass eine Baustelle für die geplanten Gästetoiletten. Die alte Scheune macht den Hof zu einem windgeschützten Plätzchen. An einem kleinen Tisch sitzen zwei ältere Damen bei einer Tasse Kaffee und unterhalten sich.

Frische Ideen in alter Tradition

Es hat sich herausgestellt, dass sich in diesem Haus über mehrere Generationen ein Gemischtwarenladen befand. Tatjana Schubert zeigt das historische Beweisfoto von den Urgroßeltern des Verkäufers. Zu DDR-Zeiten war hier der Dorfkonsum. Seit einem knappen Jahr ist es das Zuhause von Tatjana und Thomas Schubert. Im Erdgeschoss befindet sich der süße Laden mit kleinerem Sortiment und in der oberen Etage ihre kuschlige Wohnung samt Holzofen. Zwei Ferienwohnungen sind in Arbeit. Ihr früheres Eigenheim haben Schuberts verkauft, um die Sanierung des alten Bauernhofes zahlen zu können. Sie sind in eine Baustelle eingezogen und gebaut wird noch immer.Dank einer Förderung in der Höhe von rund 40.000 Euro aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) konnten Schuberts Dach, Fenster und Fassade sanieren. Schon im Spätsommer, wenn die Gästetoiletten fertig sind, soll es im Innenhof ein richtiges Café geben. Dort kann man dann auch mal eine Frikadelle oder eine andere Kleinigkeit essen. Denn einige Leute trinken jetzt schon gern mal einen Kaffee im Laden. Radreisende halten an und machen eine Rast. Handwerker holen sich in der Pause eine Bockwurst. „Im Sommer wird das ganz schön eng bei uns", findet die Inhaberin. Dann sagen die Kunden „Stellen Sie uns einfach einen Stuhl raus" und setzen sich direkt neben die Baustelle.

Viele Angebote aus einer Hand

Im Dorf gibt es keinen Bäcker mehr, keinen Metzger, nichts. Nur einen schönen Blumenladen mit Cafébetrieb. Dank Schuberts können die Leute nicht nur Back- und Wurstwaren sowie andere Lebensmittel im Ort kaufen. Die beiden bieten auch eine Poststelle und den Serviceschalter einer Bank. Wenn erst einmal alles fertig ist, werden sich nicht nur die Einheimischen, sondern auch Gäste des Ortes freuen.Viele Wander- und Radreisende sind hier in der Gegend unterwegs und werden bald eine weitere Übernachtungsmöglichkeit haben. „Eigentlich ist Abbenrode für sich kein klassischer Ferienort", räumt die Hausherrin ein. Doch es gebe einen schönen Reiterhof direkt am Grünen Band, dem Naturschutzstreifen im einstigen deutsch-deutschen Grenzgebiet, und eine Wassermühle mit netten Veranstaltungen. „Es gibt auch ein paar Ferienwohnungen hier im Ort, aber wir möchten den Gästen etwas Besonderes bieten.“ Tatjana Schubert will auf eine geschmackvolle Einrichtung achten, auch Alleinreisende aufnehmen und Frühstück anbieten – bei schönem Wetter natürlich im Innenhof.