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Der Traum vom Blühen und Wachsen

Wie sich eine Dessauer Kita einen Namen machte

- Bianca Kahl -

„Bummi oder Bussiland – das sind wir einfach nicht“, sagt Beate Malcher. Sie ist die Leiterin der Kindertagesstätte „Apfelblüte“ in Dessau-Roßlau und hier ist der Name Programm. Denn das Gebäude wurde kürzlich neu gebaut und hat von oben betrachtet tatsächlich die Form einer Blüte. Es wurde ganz im Sinne des pädagogischen Konzepts gestaltet. Von Anfang an konnten die Erzieherinnen mitreden und fast alle ihrer Wünsche wurden berücksichtigt.

„Am liebsten hätten wir auch alle Wände farbig gestaltet, doch die Innenarchitektin hat uns zum Glück gut beraten. Sie sagte, die Kinder bringen die Farbe ins Haus, und damit hatte sie Recht“, erzählt Beate Malcher und lächelt. Sie könnte ein Lied singen von den Zuständen im alten Gebäude, das bereits 1948 erbaut worden war, aber das will sie gar nicht. Viel lieber zeigt sie stolz, wie großartig das Neue ist, das mit ihrer Hilfe geschaffen worden ist. Es ist sozusagen gewachsen – und gedeiht nun immer weiter und weiter.

Beate Malcher erzählt von Anfang an, nämlich von Adam und Eva und diesem Apfel, der damals eine große Rolle gespielt hat. Die evangelische Kita unter Trägerschaft der Anhaltischen Diakonissenanstalt orientiert sich bei der Kinderbetreuung stark am kirchlichen Jahreskreis. Gleichzeitig befassen sich die Kinder viel mit der Natur und den Jahreszeiten. Doch die „Apfelblüte“ gibt vor allen Dingen den Hinweis auf die Grundidee des pädagogischen Konzepts der Offenen Arbeit.

Anhand des Gebäudegrundrisses will die Leiterin erläutern, was sie meint. Im  September 2012 konnte sie mit ihrem Team und den Kindern hier einziehen. Insgesamt hat der Bau 1,1 Millionen Euro gekostet. Zwei Drittel davon wurden aus öffentlicher Hand gefördert. Allein 700 Tausend Euro flossen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Frau Malcher legt den Grundriss des Gebäudes auf ihren Schreibtisch. Eine klassische Unterteilung in Hausflur und Gruppenräume sucht man hier vergebens. Das Büro der Leiterin und andere Räume für das Personal werden vielmehr von einer Art „Blütenstiel“ beherbergt. Er geht über in die „Knospe“: ein geschützter, abgeschirmter Raum für die sechs Krippenkinder unter drei Jahren sowie ein zentraler Mehrzweckbereich mit Kletterwand und anderem.

Alles steht im Zeichen der freien Entfaltung. In den zwei „Blütenblättern“ befinden sich mehrere Funktionsräume, in denen sich die 39 Kindergartenkinder frei bewegen können. In einem Raum kann man gut bauen, der andere bietet das ideale Umfeld für Rollenspiele, ein dritter ist eher zum Basteln und Werkeln da. „Dies ist der einzige Raum, in dem auch die Wände vollgespritzt werden dürfen“, sagt Beate Malcher mit einem Augenzwinkern. Sie will sogleich weitergehen und die Küche zeigen, die auch von den Kindern mitgenutzt wird. Doch draußen vor der Tür wird sie auf einen ihrer kleinen Schützlinge aufmerksam. Das Mädchen hat sich auf einer Sitzbank niedergelassen und blättert durch ein Märchenbuch.

Beate Malcher setzt sich neben das Mädchen und wirft einen Blick in das Buch. Das Märchen vom „Rumpelstilzchen“ ist gerade aufgeschlagen und die Leiterin erzählt die Geschichte nach. „Sie mag es, sich zurückzuziehen“, sagt sie und streichelt dem Mädchen über den Kopf. Derweil tollen draußen im großen Außenbereich die anderen Kinder umher. „Selbständigkeit und Eigenverantwortung gehören zu den wichtigsten Dingen, die wir die Kinder lehren müssen“, sagt die Leiterin. Daher kann sich jedes Kind selbst aussuchen, wie es sich beschäftigen möchte, und es geht dafür in den entsprechenden Raum. Die Erzieherinnen greifen die Eigeninitiative der Kinder auf, unterstützen sie bei Bedarf und helfen, mögliche Konflikte friedlich zu lösen. Die älteren Kinder tragen Verantwortung für die jüngeren. Teilweise ist es sogar möglich, dass ein Kind allein nach draußen in den Garten geht, wenn es sich an die Regeln hält und in Sichtweite bleibt.

Auch Beate Malcher springt jetzt von der Spitze eines „Blütenblatts“ durch die Glastür ins Grüne. Sie tröstet ein Kind, das sich wehgetan hat, während ein paar Jungen Fußball spielten. Das Freigelände haben die Eltern mitgestaltet. Was auf den Spielplatz kommt und was nicht, haben die Kinder selbst bestimmt. Erstaunlicherweise wünschte sich niemand ein Klettergerüst. Aber eine große Sandspielfläche, ein eigener Rodelhügel und eine Nestschaukel waren den Kindern wichtig. Die Eltern halfen beim Gestalten des Geländes. Vor dem Haupteingang gibt es einen befestigten Weg für die kleinen Fahrzeuge und Rollschuhe. Nächstes Jahr soll der Naschgarten erweitert werden. Das Apfelbäumchen steht schon.